KONTROLLVERLUST

Gudrun

by Gudrun

Story

Es beginnt an den Wochenenden. Regelmäßige Besäufnisse, zum Abschalten, zum Lockerwerden. Er ist oft der einzige, der scheinbar nicht genug bekommen kann. Es gibt Tage, da nimmt er sich vor, nie mehr zu trinken. Diesen Vorsatz kann er nicht einhalten. Am Anfang sind es nur die Wochenenden. Dann geht er immer öfter auch an Wochentagen in die Kneipe. Er hat immer mindestens eins zu viel. Meistens mehr. Die Toleranz gegenüber Alkohol steigt. Er braucht immer mehr, um einen bestimmten Zustand zu erreichen. Er macht sich keine Gedanken, es scheint völlig normal zu sein, soviel Alkohol zu konsumieren. Solange er seine Arbeit noch pflichtgemäß erledigen kann? Da muß doch alles in Ordnung sein? Er bekommt nicht mit, dass seine Umgebung den Kopf schüttelt, sich Sorgen macht. Wenn er angesprochen wird, wehrt er ab, spielt herunter. Beziehungen gehen in die Brüche, es sind immer die Anderen schuld, nie der Alkohol. Noch kann sein Körper die Mengen verarbeiten, aber es geht ihm immer öfter schlecht. Er erwacht mitten in der Nacht mit ausgetrocknetem Mund und pochenden Kopfschmerzen. Ihm ist übel und er braucht dringend etwas zu trinken und eine oder zwei Schmerztabletten. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Er versucht es mit Kaffee, aber der kommt postwendend zurück. Er erbricht sich, bis nur noch Galle kommt. Er ist schweißgebadet und braucht lange Zeit, bis er sich soweit erholt hat, dass er einigermaßen präsentabel zur Arbeit gehen kann. So geht das nun Nacht für Nacht. Die Entzugserscheinungen werden immer schlimmer, aber noch kann er es vermeiden, schon am Morgen zu trinken. Er hat herausgefunden, dass es ihm hilft, wenn er sich eine Instantbrühe zubereitet. Damit kann er seinen Magen beruhigen, und der Nachdurst wird weniger. Aber er meldet sich immer öfter krank. Eines Tages wird ihm gekündigt. Natürlich ist das nicht seine Schuld. Es sind immer die Anderen, die ihm Böses wollen. Das Arbeitslosengeld ist zu Anfang noch ausreichend. Er hat immer gut verdient. Und er braucht nicht viel, für den Alkohol ist noch immer genug übrig, das ist im Prinzip seine einzige Sorge. Er verlegt seine Trinkgelage in seine Wohnung und besorgt sich seinen Stoff in verschiedenen Supermärkten, die preisgünstigen Alkohol anbieten. Es geht ja längst nicht mehr um Genuss, das war es nie. Es ging immer nur um die Wirkung. Allerdings gibt es das Gefühl der Entspannung und Erleichterung beim ersten Schluck schon lange nicht mehr. Es geht nur noch darum, sich wegzumachen. Nichts mehr fühlen, nichts mehr denken. Einfach eintauchen in den Sumpf der Bewusstlosigkeit. Als er nach 2 Jahren nur noch die Grundsicherung bekommt, verliert er seine Wohnung. Das Auto hat er längst verkauft, ebenso wie Fernseher und Stereoanlage und alles andere, das er zu Geld machen konnte. Er ist innerlich und äußerlich völlig verwahrlost. Nun lebt er auf der Straße. Wenn er seine monatliche Unterstützung bekommt, setzt er sie in billigen Fusel um. Es wird wohl nicht mehr lange dauern.

© Gudrun 2023-01-08

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