Kopfkarussell

Anja Kappel

by Anja Kappel

Story

Fragen über Fragen und Antworten, die einem trotzdem nichts sagen. Manchmal ist das Leben so verwoben, als hätte man gerade einen grauslichen Schatz gehoben. Ich weiß nicht weiter, alles dreht sich und bleibt dennoch stehen. In meinem Kopf ein Karussell. Ich sitze drin und scheitere kläglich am Versuch auszusteigen.

Schnell. Schnell. Dreh dich Karussell. Dreh dich, dass mir übel wird und ich nicht weiß, wohin mit mir. Bleib nur nicht stehen, denn Stillstand ist nicht gut – heißt es im Weltchargon. Immer weiter muss es gehen. Wer stehen bleibt, der verkümmert und klettert die Leiter des Erfolgs nicht weiter empor. Also dreh dich Karussell. So schnell du kannst.

Ich will aussteigen und bleibe dennoch sitzen. Muss mich festhalten, damit ich nicht hinausgeschleudert werde. Ist ein Schleudersitz vorhanden? Sitze ich auf ihm? Wo ist der Knopf, den ich drücken kann um wegzufliegen? Wird er automatisch ausgelöst? So, wie wenn man stürzt und sich die Skibindung von selbst aufmacht? Ist meine Bindung richtig eingestellt? Viele Fragen, keine Antworten…Nur das Karussell, das sich unvermindert und ohne Rücksicht auf Verluste weiterdreht. Immer weiter. Immer schneller. Mit oder ohne Schleudersitz. Ohne Antworten. Nur mit Fragen.

Ich hätte gerne Champagner um darauf anzustoßen. Nein, doch lieber Bier. Champagner ist mir zu prickelnd und zu abgehoben. Vielleicht auch zu teuer. Bier tut auch seinen Zweck. …und heiligt vielleicht auch alle Mittel. Ich stoße also an. Auf mich. Auf dich. Auf uns. Auf das Leben mitten im Karussell. Tritt dadurch eine Besserung der Situation ein? Ich warte noch auf die Antwort. Vielleicht wirkt der Alkohol noch nicht? Betäubt bin ich bereits durch die Drehungen und Windungen des Karussells. Ich drehe mich mit ihm durch ein Labyrinth. Den Ausweg habe ich noch nicht gefunden. Nur den Eingang. Ich hätte mich nie hineinwagen sollen. Jetzt sitze ich hier und kann nicht mehr aussteigen.

Überdenke mein Überdenken und frage mich, warum ich so viel überdenke und nicht einfach nur normal denke. Bei dem Gedanken wird mir noch schwindeliger, als es mir ohnehin schon ist. Zu oft kommt das Wort „überdenken“ darin vor – nun gut, vielleicht nur einmal zu viel.

Ich schließe die Augen. Versuche mich wegzubeamen – zumindest gedanklich. Frustrierend muss ich feststellen, dass mir dadurch noch viel schwummriger wird. Ist es jetzt der Alkohol? Mir wird es zu viel. Ich suche den Schleudersitzknopf, wissend, dass ich von meinem Kopfkarussell nur so entfliehen kann. Drücke ihn. Steige aus. Für heute. Morgen ist ein neuer Tag.

© Anja Kappel 2023-02-16

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