Einige meiner früheren Mitschüler waren jedes Wochenende feiern. Bis in die früheren Morgenstunden machten sie die Tanzflächen Münchens unsicher, um dann am Montagmorgen verkatert und mit dunklen Augenringen im Unterricht zu sitzen. Ich war hingegen die brave Schülerin, die nur ab und zu feiern ging und nie vor Prüfungen.
In Paris musste ich mehrmals pro Woche vormittags in meinen Sprachkurs. Aber richtig schlimm war es nicht, wenn ich dort übernächtigt ankam. Und so dauerte es nicht lange, bis die anderen Au-pairs mich in einen Klub in der Nähe des Champs-Elysées schleiften. Dort fand eine Erasmusparty statt und als wir ankamen, war die Party bereits in vollem Gang. Die Stimmung war großartig und wir gingen zuerst an die Bar, um uns etwas zu trinken zu holen. Dann stürzten wir uns ins Getümmel. Wir tanzten, wir lachten und es dauerte nicht lange, bis wir die Aufmerksamkeit einiger Männer auf uns zogen. Ich bemerkte sie erst, als einer von ihnen quasi an meinem Hintern klebte.
Aus Deutschland war ich so viel Aufdringlichkeit nicht gewohnt und drehte mich hilfesuchend zu meinen Freundinnen um. Die tanzten ein bisschen mit den Typen, dann wurde es ihnen zu bunt und sie erklärten, dass sie einen Freund hätten. Die Männer verstanden den Wink mit dem Zaunpfahl nicht. Anstatt uns in Ruhe zu lassen, versicherten sie uns, dass sie sehr diskret seien. Also griff eine von den Anderen zu unserer letzten Waffe und behauptete, dass wir nicht an Männern interessiert wären. Auch damit konnten wir sie nicht in die Flucht schlagen. Stattdessen wollten sie, dass wir uns küssten. Quasi als Beweis, dass wir wirklich kein Interesse an Männern hatten. Uns wurde es zu doof und wir verließen die Tanzfläche.
Als wir das nächste Mal feiern gingen, versprachen mir meine Freundinnen eine besondere Überraschung. Zuerst dachte ich, dass sie den kostenlosen Eintritt meinten. Doch dann begannen die anwesenden Frauen laut zu johlen: ein Stripper. Eine Idee, die offenbar auch andere Klubbesitzer hatten, um weibliche Gäste anzulocken. Denn in den folgenden Monaten gab es auch in anderen Klubs Stripper und ich fragte mich irgendwann, ob es in Paris einfach normal war, dass es einen Stripper gab.
Aber dann erzählte eine der anderen Au-pairs von einem kleinen Klub im Quartier Latin, den wir unbedingt ausprobieren müssten. Dort gab es keine aufdringlichen Verehrer, sondern Kellner, die nur Boxershorts trugen. Ich dachte zuerst, dass sie mich auf den Arm nahmen. Was sollte das denn für eine zwielichtige Bar sein, wenn die Kellner halb nackt waren? Letztlich versicherten sie mir, dass alles total harmlos sei. Und letztlich siegte meine Neugier. Später erfuhr ich, dass das Latin Corner Café berühmt-berüchtigt war. Die Kellner servierten die Cocktails tatsächlich in Boxershorts, ansonsten waren kaum Männer anwesend. Dafür herrschte eine ausgelassene Atmosphäre und wir konnten tanzen, ohne Annäherungsversuche abwehren zu müssen.
© Carina Senger 2021-05-31