Leid ist Schmerz mal Widerstand

DannyDelicious

by DannyDelicious

Story

Montag Morgen, 10:02, irgendwo in der Innenstadt von Hannover. Ich wippe nervös mit meinen Füßen. Es fühlt sich an, als wollte mir mein Körper dabei helfen, alles mitzuteilen, was ich im Kopf habe. Worte sind nicht genug, es braucht das rhythmische Trommeln meiner Stiefel auf dem Teppich. Mein Therapeut lässt sich in seinen Sessel fallen und schüttet sich in aller Ruhe einen Tee in die Tasse, die dem Aussehen nach zu urteilen schon tausende Tees gesehen hat. Die Worte kribbeln in meinen Finger, die meine Dämonen heraufbeschwören wollen mit gleichmäßigen, aber doch erratischen Bewegungen. Er schaut mich an. Mir läuft ein angenehmer Schauer den Rücken entlang.

“Wie geht es Ihnen?”, fragt er mich routiniert. Ich fange an, unwillkürlich zu grinsen. “Beschissen”, antworte ich begeistert, “ich habe das Gefühl, dass ich in meinem scheiß Leben absolut keinen Schritt vorankomme. Es jagen mich alte Geister, und die neuen fühlen sich auch kacke an”. Mein Therapeut setzt seine Tasse ab und überschlägt die Beine. “Erinnern Sie sich noch an die Formel?”, fragt er mich. “Die mit dem Leid?”, erwidere ich. Er nickt. “Leid ist Schmerz mal Widerstand”, sagt er. Ich seufze. “Ja, blabla. Das weiß ich, wie gesagt. Ich mache doch den ganzen Scheiß, den wir besprochen haben”, sage ich. Ich lehne mich nach hinten und lass die Schultern heruntersacken. Er schaut mich noch genauer an und runzelt seine Stirn. “Den ganzen Scheiß?”, fragt er. Mein Kopf fällt nach hinten und ich starre die Decke an. Sie ist hässlich. “Ja. Ich passe auf meine Energielevel auf, ich mache Sport, ich mache was Kreatives, nur für mich, ich trinke genug, ich rede mit Menschen, ich mache die verkackten Mental-Health-Spaziergänge. Eben dieses ganze Zeug”, erwidere ich. Er schaut mich nur weiter an. Ich fange an, auf dem Sessel hin und her zu wackeln. Es brennt. Ich will mein Gehirn gerade am liebsten aus meinem Schädel kratzen, es unter einem Strahl kaltem Wasser halten und danach mit Sandpapier glatt rubbeln. “Es werden wieder mehr Tage, an denen ich einfach so… müde bin. Ich will nicht auf die ganzen Whatsapp-Nachrichten oder E-Mails antworten. Es fühlt sich an, als würde ich wieder nichts hinkriegen, keine Worte auf Papier bringen können, jeder Pinselstrich ist einfach falsch. Es tut weh und das Wissen, dass ich einfach jämmerlich versage in allen Aspekten, brennt in meiner Seele. Ich tue doch alles, damit es endlich mal aufhört. Ich will diese Qualen nicht mehr. Nicht für eine einzige Sekunde. Aber ich befürchte, ich kann da einfach nichts gegen machen.”

Er schaut mich seelenruhig an. Verdammt, Mann. Jetzt hilf mir doch. Sag deine lustigen Zauberworte. Er legt sein Gesicht in seine Hand. “Sie wollen also Widerstand leisten gegen Ihren Schmerz?”, fragt er mich. “Äh”, antworte ich. “Natürlich ist es wichtig, dass Sie den ganzen Scheiß machen. Davon wird das Leid weniger. Aber es wird nicht aufhören, es wird immer und immer wieder kommen. Also anstatt nach Wegen zu suchen, wie Sie die Schmerzen verhindern, können Sie versuchen, die guten Momente mehr zu machen”, sagt er.

Ich nicke, richte mich auf, ziehe meine Jacke und gehe aus dem Behandlungszimmer. Arschloch. Wieso schlägt er mir Dinge vor, die mir sogar helfen könnten?

© DannyDelicious 2024-01-14

Genres
Humor & Satire, Self-help & Life support
Moods
Komisch