by Luca Körnich
Am nächsten Tag versuche ich den vier Wänden meiner Eltern zu entfliehen und mache mich mit meinen Kopfhörern auf den Weg in den Park. Viele bekannte Gesichter, die meisten von Eltern ehemaliger Mitschüler, kreuzen meinen Weg. Mehr als einmal muss ich stehen bleiben und von meinem neuen Studium erzählen. „Ja, Köln ist groß“, sage ich gerade zu Julias Mutter, da fällt mir jemand über ihrer Schulter ins Auge. „Leo!“, rufe ich lauter als beabsichtigt. Mit einer kurzen Entschuldigung lasse ich Julias Mutter stehen und renne an ihr vorbei auf Leo zu. „Luca“, sagt er überrascht, als ich neben ihm auftauche „Wie schön, dich zu sehen.“ Wir umarmen uns. „Ich wusste nicht, dass du auch zu Hause bist.“ „Ist nur fürs Wochenende“, erkläre ich. Mit einem Lächeln sieht er mich an und nickt in Richtung Innenstadt. „Ich habe gerade nichts vor. Hast du Lust, einen Kaffee trinken zu gehen?“ „Gerne.“ Ich stecke meine Kopfhörer in die Tasche und zusammen machen wir uns auf den Weg. Direkt ist es so wie immer. Er erzählt von sich und ich von mir. Ganz so, als wäre überhaupt keine Zeit vergangen. „Ja, Studium ist so semi“, sagt Leo mit wenig Enthusiasmus in der Stimme, während er die Tür zum Café öffnet. Wir suchen uns einen Tisch ganz hinten und schieben die beiden Karten vor uns zur Seite. Wir wissen schon, was wir wollen. „Den Mandel-Apfelkuchen. Zwei Mal bitte“, sage ich zur Bedienung, dann wende ich mich wieder Leo zu. „Das mit deinem Studium tut mir leid. Läuft es wirklich gar nicht?“ Er zuckt die Schultern und mir wird sofort klar, dass er nicht darüber reden will. „Was hältst du davon“, sage ich daher, „wir gehen ins Kleine Kino, bestellen wie früher das pappige Popcorn und ärgern uns darüber, wie schlecht der Film ist. Was meinst du?“ So sitzen wir tatsächlich nur wenig später in dem kleinen Kinosaal. „Die Idee war super“, freut sich Leo und greift nach der Popcorntüte. „Hey!“ Ich schlage seine Hand weg. „Kein Popcorn, bevor der Film anfängt.“ Leo muss lachen. Es freut mich zu sehen, dass ich ihn hiermit tatsächlich auf andere Gedanken bringe. Für einen Moment sind wir beide still und lassen die Atmosphäre und den Raum auf uns wirken. Dann sage ich leise zu ihm: „Alles ist wie früher, aber nichts fühlt sich mehr danach an. Geht dir das auch immer so, wenn du her kommst?“ „Ich denke schon“, sagt er und sieht mich mit einem nachdenklichen Blick an. „Aber der Tag heute mit dir, der ist wie früher.“ Ich muss lächeln. „Das ist schön oder?“ Leo nickt und ich nehme ihm den Becher Cola aus der Hand. „Ach und Cola vor dem Film ist in Ordnung?“ „Sicher.“ Ich nehme einen Schluck und lehne mich tiefer in den Sitz, „So, und jetzt will ich mehr mir über deine Freundin wissen.“ Von ihr hat er mir eben erst erzählt. Es ist schön zu sehen, wie sehr Leo von ihr schwärmen kann. Er macht gar keine Pause. Doch schließlich wird der Saal dunkel und die Werbung auf der Leinwand beginnt. Kurz beuge ich mich näher zu ihm. „Ich freue mich sehr für dich“, flüstere ich und reiche ihm die Popcorntüte.
© Luca Körnich 2022-07-30