by gabrielle_b
Er hieĂ Peter und war zĂ€rtlich und wild. Wir waren junge 17 Jahre und voller TrĂ€ume, WĂŒnsche und Illusionen. Was war schon dabei, die Schule zu schwĂ€nzen, uns heimlich zu lieben, barfuĂ um den Maschsee zu laufen?DieWelt schien uns zu FĂŒĂen zu liegen. Wir fĂŒhlten uns frei. Das Leben war voller ZĂ€rtlichkeit. Spontan in den Tag hinein zu leben, soviel wie möglich war mein Wunsch. Nach Frankreich trempen im Sommersonnenschein – mit ihm. Die Welt schien nicht teuer zu seine: ein paar alte Jeans, natĂŒrlich ein Peace-Zeichen eigenhĂ€ndig drauf gestickt, lĂ€ssige T-Shirts und ein romantischer Schlabberrock. So sah unser GlĂŒck aus. Alles voller Sinnlichkeit und Erotik. Schmusen war damals tĂ€gliches Brot. Es war auch nicht schwer zu bekommen. Die Welt schien voller junger MĂ€nner und Frauen zu sein, die sich nichts sehnlicher wĂŒnschten als Liebe, Freiheit und Frieden. Schicke Kleidung, Geld und gehobene Stellung im Beruf waren unwichtig. Ein Leben in Freiheit und Gemeinschaft, das strebten wir an, weg vom Druck und der AutoritĂ€t unserer Eltern. Wie schwer der Weg letztlich war und ist, war keinem von uns beiden damals klar. Aber wir waren mutig und probierten Leben nach unserem Geschmack aus, ohne uns um die Meinung anderer zu scheren. Das war der Zeitgeist. Wir wollten unsere Freiheit erlangen und verteidigen.
Die Zeiten haben sich sehr verĂ€ndert. Wenn man damals verliebt war, war man es mit Haut und Haaren. Da kam morgens Hein Anruf vor der Schule, um meine Stimme zu hören.Da pflĂŒckte er mirvon der Strasse aus in Nachbars Garten eine Rose. Da fuhren wir heimlich 1. Klasse im Vorstadtzug, um wild und ausgelassen zu schmusen. Der Schaffner lĂ€chelte nur verstĂ€ndnisvoll und ging weiter. Der Himmel hing voller Gitarren und die Wohngemeinschaften auch. Vielleicht war es dort etwas schmutzig, aber lebendig. Keine Zeit zu verlieren – jetzt leben !
Ich möchte wieder zusammen lachen, im Tanz alles vergessen und unvernĂŒnftig sein auf Festen, mich nicht nur auf das kalte oder warme Buffet stĂŒrzen, ĂŒber den Weltuntergang und kranke Beziehungen reden. Als ich Teeny war, trafen wir uns in Franks Partykeller mit altem Sofa vom SperrmĂŒll und hörten Musik, ohne uns mit harten Drogen zu betĂ€uben.
Wie wĂ€re es, gemeinsam und mit Blumen in den Haaren fĂŒr eine bessere Zukunft zu kĂ€mpfen? Hat das Ungeheuer des Weltuntergangs diesen Zeitgeist völlig verschlungen? War es eine Sternschnuppe der Hoffnung in der Menschheit, die fĂŒr immer verglimmt ist? Auf der Strasse Hand in Hand zu schlendern, ein Relikt vergangener Zeiten? Eine neue Eiszeit in den Herzen von uns Menschen?
Ein Aufenthalt in Brasilien erinnerte mich daran: Man kann sich in Diskotheken in die Augen schauen, im Tanz verlieren und sich sogar dabei – verlieben! Vielleicht sollten wir mal einen Monat lang stumm durch unsere Welt laufen, um unser Herz und unsere Sinne intensiver spĂŒren? Mehr schauen – mehr horchen – mehr fĂŒhlen âŠ
Dies geschah im letzten Jahrtausend – Ist es heute noch möglich?
© gabrielle_b 2021-09-30