by Denise Götze
Liebes Tagebuch, das ist Blödsinn … Ich fühle diese Einsamkeit. Es ist ein stummes Gefühl, ohne einen Ton. Es schleicht sich an, wickelt dich hinterrücks ein und erfasst dich auf einmal, ohne eine Vorahnung. Es kann dich mitten am Tag treffen, während du arbeitest. Oder wenn du spazieren gehst. Zu jeder Zeit. Ob du unter Menschen bist – kümmert es nicht. Auf einmal fühlst du dich anders. Hast das Gefühl gar nicht richtig da zu sein. Oder nicht so zu sein, wie andere dich gern hätten. Weist nicht, ob du was sagen oder stumm sein sollst. Vielleicht geht es dir ja wie mir. Manchmal, wenn ich mit Familie oder Freunden am Tisch sitze und sie über etwas diskutieren, von dem ich nichts verstehe, oder zu dem ich keine Meinung habe – fühle ich mich überflüssig und nicht gebraucht. Ich fühle mich fast unsichtbar. Zum Glück, ist das nicht oft so. Aber manchmal fühlt es sich an, als würde es keinen stören, wenn ich nicht mehr da wäre. Vermutlich waren das die Gedanken, die mich am meisten in die Depression getrieben haben. Dass ich mir selbst nicht vorstellen konnte gebraucht zu werden. Manchmal wünschte ich mir, dass mich jemand anruft oder mir schreibt. Aber auf der anderen Seite bin ich froh, meine Ruhe zu haben. Immerhin ist es genau das, was ich mir gewünscht habe – oder? Ich wollte das. Sollte es mir damit dann nicht gut gehen?! Vielleicht ist es nur ein doofer Moment, vielleicht aber auch ein Problem. Mit meiner Kommunikation. Warum fühle ich mich oft so unter Druck, Druck still zu sein und nicht zu sagen, was ich fühle und wie es mir geht? Was ist so schwer daran einfach zu sagen – bitte meldet euch, wenn ich es nicht tue und ich euch wichtig bin. Ich kann es von mir aus oft nicht, weil ich denke anderen zur Last zu fallen und sie zu nerven. Ich schrecke davor zurück, weil meine Angst vor Zurückweisung oft größer ist, als mein Leidensdruck. Ich weiß, dass es nicht förderlich für mich ist und ich arbeite daran. Aber es ist nicht so einfach. Kann sein, dass es wieder mal nur eine melancholische Phase ist und ich morgen denke “Was für ein Blödsinn!” Aber genau so denke ich grade und was habe ich schon anderes als das jetzt? Wenn mich etwas belastet – schreibe ich es auf. So war ich schon immer, anstatt zu reden, schreibe ich. Viel zu viel, mache ich mit mir allein aus, suche nicht das Außen. Auch wenn die Perspektive anderer meine Sicht normalisieren könnte. So vieles spreche ich nicht aus und beschütze mich davor anzuecken. Aber Anecken kann Wachstum bedeuten. Womit habe ich das Recht anderen die Entscheidung abzunehmen, womit sie umgehen können? Habe ich nicht. Ich selbst wünsche mir ja auch, dass andere mir zutrauen Situationen zu händeln.
© Denise Götze 2023-09-19