Lola nimmt die Hände vom Gesicht und schaut auf. Tränen strömen ihr über ihre Wangen, ihre Haare sind zerzaust und ihre Nase läuft. Sie ist wunderschön. Sie hat diesen Look, der Schönheitschirurgen auf der ganzen Welt in den Wahnsinn treibt, weil sie ihn niemals replizieren könnten. Sie blinzelt mit Tränen in den Augen gegen das grelle Sonnenlicht: „Was?“. „Möchtest du ne Zigarette?“, fragt Al und hält ihr die Packung hin. Sie schaut grob in ihre Richtung und beginnt dann wieder zu weinen. Al und Zack setzen sich rechts und links neben Lola auf den Bordstein. Menschen und Autos fließen an ihnen vorbei. Die Zeit vergeht, während Lola weint.
Nach einer Weile wird sie still und fragt dann schniefend: „Ich bin Lola. Wie heißt ihr?“. „Ich bin Alexander. Meine Freunde nennen mich Al.“, sagt Al und gibt ihr die Hand. Sie schüttelt sie zaghaft. „Zack. Ich bin seine Freunde.“, lächelt Zack charmant und streicht ihr vorsichtig die klebrigen Haare aus dem Gesicht. Sie zuckt kurz zusammen, lässt es aber zu. Al wirft Zack einen bösen Blick zu und bedeutet ihm, seine Zuneigung zurückzuhalten, dann wendet er sich an Lola: „Was ist dir passiert, Lola?“. Lola schluchzt: „Er hat mich erstochen“. „Was?“, fragt Al verwirrt. Lola deutet mit ihrem Kopf in Richtung eines großen Wohnhauses: „Ich war in seinem Apartment mit ihm für einen beruflichen Termin, als er einfach ausgetickt ist.“ „Bist du ein Escort?“, fragt Zack und lächelt. Lola reagiert gereizt: „Nein! Ich bin Finanzberaterin.“ “Hmm” Al verzieht das Gesicht. „Hört zu, es ist nicht so, wie ihr denkt“, erwidert Lola verzweifelt: „Ich hab mich mit ihm getroffen, um über seine Zukunftspläne zu sprechen, aber er ist die ganze Zeit nur in seinem komischen Anzug rumstolziert und hat irgendeine Scheiße über Schauspieler und Filmografien geredet. Als ich ihn dann unterbrochen und ihn nach seinen Finanzen gefragt habe, hat er-“ Sie fängt wieder an zu weinen: „Er hat einfach angefangen auf mich einzustechen.“ Sie vergräbt wieder das Gesicht in den Händen. Zack versucht erfolglos ein Lachen zu unterdrücken: „Was ein trauriger Loser!“. „Das kann doch alles nicht real sein!“, heult Lola: „Irgendwas stimmt nicht. Ich muss träumen.“ Al zieht an seiner Zigarette: „Ich fürchte nicht.“ Lola beginnt leise in ihre Hände zu weinen.
Plötzlich fängt sie an zu schreien: „Fuck! Das darf nicht passieren! Das ist nicht richtig so! Ich bin noch nicht fertig hier! Ich hab noch so viel zu tun! Ich akzeptiere die Scheiße nicht! Ich sehe das nicht ein! Ich kann noch nicht gehen!“. Tränen laufen ihr über das gerötete Gesicht. Zack legt ihr behutsam die Hand auf die zitternde Schulter. Sie lehnt sich an ihn an und atmet krampfhaft aus und ein. Schweigen.
Die Minuten vergehen. Al schnippst seine alte Zigarette in einen Gullideckel und nimmt sich eine neue aus der Packung: „Zigarette?“, fragt er und hält Lola die Packung hin. Lola richtet sich schniefend auf und greift nach der Packung: „Scheiße, ja.“
© Joris Alexander Buhre 2022-08-18