by Lene Wollmer
Gerade als ich es geschafft habe, nicht mehr jede Minute an dich denken zu müssen, und dachte, es geht weiter, sehe ich deinen Namen auf meinem Display. Mit deiner Nachricht strömt die Flut der Gedanken an das, was alles hätte sein können, über mich. So sehr es mich quält, nicht zu wissen, wo wir stehen, quält mich auch die Angst davor, es zu erfahren.
Wir treffen regelmäßig die falsche Person zur richtigen Zeit. Aber die richtige Person zur falschen Zeit schafft es dann, so viel mehr in uns auszulösen. Die richtige Person am falschen Ort – obwohl „falsch“ auch nur „zu weit weg“ meint. Und „zu weit weg“ ist wiederum immer subjektiv zu bewerten, denn wenn es wirklich die richtige Person gibt, sollte doch wohl nicht die Distanz das Gegenargument sein dürfen. Es ist eine schöne Vorstellung, dass es so etwas wie Magie gibt – eine unverblasste, alte Liebe, die einfach wieder aufblühen kann, wenn der richtige Moment gekommen ist.
Wieso ist es so schwierig, die eine Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu treffen? Und wie machen die anderen das? Meine Tante hat mir einmal gesagt, ich solle meine Ansprüche anpassen – sie wäre sonst nicht mit ihrem Mann zusammen. Das scheinen mir wirklich nicht die besten Aussichten.
Keine halben Sachen machen und dann doch Angst davor haben, das Ganze zu nehmen. Meine Mama sagte mal zu mir, eigentlich sollte es keine Entscheidung sein. Manches ergibt sich mit der Zeit wie von alleine. Weil es eben entweder passt oder nicht. Aber den Kopf so komplett auszuschalten ist gefährlich. Gerade ist das logische Denken in den Hintergrund getreten. Ich verstehe vielleicht so langsam, was es mit diesen Schmetterlingen auf sich hat. Ich hasse Schmetterlinge. Sie fliegen unkontrolliert umher, ohne einschätzen zu können, wohin sie wollen oder welche Richtung sie einnehmen sollen. Aber vielleicht ist genau das dieses „Es ergibt sich von alleine“. Und trotzdem habe ich Angst, dass du längst abgeschlossen hast, während ich mich gerade wieder völlig reinsteigere. Irgendwie kann ich nicht loslassen – oder vielleicht möchte ich es auch nicht.
Was würdest du machen, wenn du wüsstest, wie sehr du mir fehlst?
Wir wären nicht hier, könnten ganz woanders sein, ein ganz anderes Leben leben. Die Ansprüche an Liebe wären andere. Ich glaube, Menschen können sich wirklich gegenseitig ändern. Ich will eigentlich nicht, dass es aufhört, und trotzdem soll es vorbei sein. Zugleich denke ich, du kannst gar nicht so leicht verschwinden. Solange die Erinnerung bleibt, gibt es dich als Teil meines Lebens. Du als Teil meiner Geschichte und ich in deiner. Unser gemeinsames, kurzes Wir, in dem ich gelernt habe, wie viele Arten von Grün es geben kann. Es macht mir Angst, darüber nachzudenken, wie schnell es verblasst – so wie der Geschmack der Kaugummis mit der Zeit weniger wird. Ich versuche, mich an dem Gefühl festzuhalten, das du mir gegeben hast, wie an der Packung Kaugummis, die du bei mir gelassen hast. Zweifel kommen auf, ob ich dich vermisse oder tatsächlich nur die Version von mir, die ich mit dir war. Du hast mir eine neue Idee gegeben, wer ich sein könnte.
© Lene Wollmer 2025-02-28