Wie versteinert saß er an seinem Schreibtisch. Die Schwerkraft drückte seinen Kopf hart auf seine Halswirbelsäule. Wechselnd richtete er sich auf und sackte wieder in sich zusammen.
Das Alleinsein in der Wohnung empfand er heute, nicht zum ersten Mal, als bedrückend. Er trug unzählige Geschichten und Erinnerungen mit sich herum, und sie fielen über ihn her, sobald er zum Nachdenken kam. Sie aufzuschreiben hätte helfen können, sie auf Abstand zu halten. Aber dazu hätte er unentwegt schreiben müssen.
Wenigstens hatte er einen Roman begonnen. Es war bereits klar, wie der Roman enden würde: Mit einer Szene, die die Möglichkeit einer Bewusstwerdung aufblitzen ließ, indem sich die Hauptfigur überwindet und mutig zu sich bekennt.
Im Mittelteil des Romans jedoch war er stecken geblieben. Er war auf Distanz zu seinem Text, zu sich selbst gegangen.
Die Trägheit seines Zustands und die von ihm schmerzhaft wahrgenommene Leere waren von außen betrachtet völlig undramatisch. Das Verhängnisvolle war das für jeden außer ihn unsichtbare innere Verlangen, dass sich etwas Schicksalhaftes ereignen möge.
Hundegebell drang an sein Ohr, ohne einen Eindruck zu hinterlassen. Dann tauschten sich Kinder- und Erwachsenenstimmen lebhaft aus, und jene Lebendigkeit machte ihn vollends mĂĽde und apathisch.
Kein Schluck Wasser, keine Sätze von Flann O`Brien, und am allerwenigsten die oberflächlichen Suchen im Internet halfen gegen das Gefühl der Isolation. Auch nicht die üblichen, schon oft gehörten Lieder.
Zerbrechlich und leicht zerstörbar war ein Leben, noch dazu eines wie seines, das von Sensibilität durchdrungen war. Dadurch war ihm andererseits klar, wie wertvoll und wunderschön es war.
Und so setzte er sich erneut an den Schreibtisch und fischte in seinem ureigenen See der Innerlichkeit nach brauchbaren Sätzen.
Der Alltag bestand aus Bausteinen äußerer Sicherheit sowie innerer Unsicherheit, die sich zu Stoizismus wandelte. Das hielt ihn häufig von einem ausdrucksstarken Leben ab, und wenn das Leben schließlich doch einmal greifbar war, fand es hauptsächlich in seinem Kopf statt. Der Roman war der Versuch eines Aufbruchs in den Ausdruck.
Dann schrieb sie ihm eine kurze Nachricht. Morgen würden sie sich wiedersehen. Nun würde er immerhin schlafen können. Denn allein die Liebe, die zwischen den Abhängigkeiten und beschwerlichen Bewegungen stand und doch so stark war, rettete ihn.
© Daniel Büttrich 2024-07-11