Psychische Erkrankungen: Laut dem Bundesamt für Gesundheit hatten in der Schweiz im Jahr 2022 14.4% von den männlichen Einwohnern und 21.1% von den weiblichen Einwohnern mittlere bis starke psychische Beschwerden. Dabei ist die Dunkelziffer gross.
Wieso schreibe ich das?
Psychische Beschwerden sind Europaweit ein grosses Thema. Dennoch wird es oft totgeschwiegen und / oder Falschinformationen kursieren. Zum Glück gab es in den letzten Jahrzehnten Fortschritte; mit dem ICD 11 – internationale statistische Klassifikation von Krankheiten – wurde die Liste weiter ergänzt und besser definiert. So bekommen viele psychischen Krankheitsbilder mehr Bedeutung und werden durch die offizielle Auflistung gesellschaftlich teils besser anerkannt.
Nichtsdestotrotz wird viel stigmatisiert. Ich selber erlebe genau das nur allzu oft. Bin ich doch erst Ende 20 und arbeite nicht mehr. Wehe ich erzähle, dass ich durchaus gerne wieder arbeiten möchte! Die einen glauben mir nicht und Vorwürfe wie “Auf der faulen Haut ausruhen” werden mir an den Kopf geworfen und die anderen entgegnen nur “Wenn der Wille da ist, dann gehe doch einfach wieder arbeiten”. Somit ist die Frage “Was arbeitest du?” für mich meist ein Triggerpunkt. Ich muss gestehen, dass mir diese Frage bis vor einem Jahr genau so unbedacht über die Lippen kam und ich weiss auch, dass nicht alle mit den oben genannten Beispielen reagieren. Dank dessen achte ich im Alltag mehr auf meinen Sprachgebrauch und wünsche mir, dass schon nur ein Teil der Gesellschaft sich dessen bewusster wird und achtsamer mit Formulierungen umgehen würde.
Dann fielen vielleicht weniger Aussagen wie: “Man sieht dir aber nichts an”, “So schlimm kann es gar nicht sein, du musst nur optimistisch sein” oder “Reiss dich doch zusammen und mach etwas dagegen”. Betroffene Personen würden sich vielleicht eher getrauen vom Alltag mit psychischen Problemen zu erzählen, welcher durchaus sehr schwierig und beeinträchtigend sein kann. Zu realisieren, dass das Aufstehen aus dem Bett zur Unmöglichkeit wird, schmerzt sehr. Dies ist nur eine von vielen Behinderungen.
Schon oft wünschte ich mir, ein gebrochenes Bein zu haben. Achtung! Ich weiss, wie es ist, wenn ein Knochen gebrochen ist oder man sonst körperliche Beeinträchtigung hat. Daher ist dieser Wunsch nicht leichtfertig und ich kann ihn auch begründen.
Knochen heilen. Es gibt Schema X und Fachleute wissen genau, was zu tun ist. Es schränkt eine Zeitlang ein, doch meist kann man anschliessend wieder ein normales Leben führen. Niemand sagt einem körperlich Verletzten, er solle doch mit dem gebrochenen Bein mal kurz zu Fuss einkaufen gehen. Das Verständnis ist da und oft wird dir – brauchbare – Hilfe angeboten. Es ist bedeutend einfacher einen Knochen zu kurieren, als die Psyche zu heilen.
Somit schliesse ich mein Gedankenkarussell für heute ab. Wahrscheinlich werde ich noch oft an genau diesem Punkt stehen und mich über dieses Stigma ärgern. Doch vielleicht kann ich mit meinen niedergeschriebenen Gedanken den einen oder anderen damit erreichen.
© Gedankenfängerin 2023-12-29