Man sieht sich immer zweimal im Leben (2)

Daphne-Levoke

by Daphne-Levoke

Story

Bevor ich mich versehe, schnappt meine beste Freundin schon mein Handy. „Nein! Bitte nicht!”, bringe ich nur schluchzend hervor. Ich muss erbärmlich aussehen, wie ich hier auf dem Boden sitze – voll gekrümelt, verheult und mit verschmiertem Mascara. Aber das ist mir egal. Ich wünschte mir nur, dass du hier wärst, um mich zu halten. Dann wäre alles direkt viel besser.
„Wir schreiben ihm jetzt, dass er dahin gehen kann, wo der verdammte Pfeffer wächst!”, sagt meine beste Freundin bestimmt, während sie hastig anfängt zu tippen. Wieso habe ich ihr nochmal meinen Handycode verraten? „Amen, Schwester!”, bringt meine Mitbewohnerin lallend hervor. Hoffentlich kotzt sie nicht in die Wohnung. Meine beste Freundin tippt für ein paar Minuten auf meinem Handy herum. Mir kommt es vor wie Stunden. „So, fertig! Bitteschön!”, grinst sie stolz, während sie mir mein Handy wiedergibt. Wahrscheinlich hätte ich wirklich weniger trinken sollen, denn mir ist unglaublich schlecht und das Lesen fällt mir schwer. Doch das, was ich lesen kann, gefällt mir ganz und gar nicht. „Was ist das denn für eine böse Nachricht? Das kann man doch nicht abschicken? Was ist, wenn ich ihn irgendwann wieder sehen sollte?”, bringe ich aufgebracht hervor. Dieses ganze ‘sich gegenseitig hassen und im Bösen auseinander gehen’ ist doch verdammter Kinderkram. Solche zickigen Nachrichten habe ich vielleicht mit 14 verschickt, aber doch nicht mit 31. „Wenn du meinst. Was würdest du denn schreiben?”, antwortet meine beste Freundin etwas patzig, während sie die Arme voreinander verschränkt.
„Hier, nimm mein Handy wieder und tippe die Nachricht bitte für mich.” Ich atme tief ein. „Schreib ihm, dass ich die Zeit mit ihm genossen habe und, dass er ein toller Mensch ist. Doch leider wollten wir andere Dinge und ich bin sehr enttäuscht darüber, wie es nun ausging. Sag ihm, dass ich mir mehr Einsatz von ihm aus gewünscht hätte und, dass ich dachte, es würde langsam ernst werden. Sag ihm, dass ich ihm trotz aller Enttäuschungen und Tränen nicht sauer sein kann. Denn er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Sag ihm außerdem bitte, dass man sich ja immerhin immer zweimal im Leben sieht und ich es kaum erwarten kann ihn in ein paar Jahren zufällig auf der Straße zu treffen und zu erfahren, was er alles erlebt hat. Sag ihm bitte, dass ich ihm vom Herzen alles Gute wünsche.”, sage ich leise. Zu meiner Überraschung sagen weder meine beste Freundin, noch meine Mitbewohnerin etwas dazu. Stattdessen tippt meine beste Freundin stumm und mit ernstem Blick, während meine Mitbewohnerin ihr nächstes Bier öffnet und auf Ex austrinkt. „Fertig. Ich glaube, dass die Nachricht jetzt so ist, wie du sie dir vorgestellt hast. Ließ sie lieber noch einmal, bevor ich sie abschicke”, sagt meine beste Freundin. „Nein, schon gut. Schick sie ab, ich vertraue dir…und danke. Danke, dass ihr hier seid und für mich da seid. Ich weiß das zu schätzen. Wirklich”, sage ich und überwinde mich zu einem Lächeln. Sehe ich da Tränen in den Augen meiner besten Freundin? „Klar doch! Immer!”, sagt sie während sie mir in die Arme fällt. Meine Mitbewohnerin steht etwas verloren neben uns. „Komm du auch her!”, sage ich und ziehe sie mit in unsere Umarmung. Nach einer gefühlten Stunde lösen wir uns aus der Umarmung und ich halte die Luft an, während meine beste Freundin auf ‘senden’ drückt. Das war’s jetzt. Für immer. Dachten wir jedenfalls.

© Daphne-Levoke 2024-02-02

Genres
Novels & Stories
Moods
Dunkel, Emotional, Traurig, Angespannt
Hashtags