Mein Kollege in Glauchau meinte 2008 bis 2012 öfters, hier sei gerammelt leer. Wie in der DDR: Ein Armenhaus hat Auslerneball. Fisch auf jeden Tisch – Slogan zu Ost-Zeiten, ebenso: “Nimm ein Ei mehr.” Werbeanzeigen in Zeitungen, Funk und Fernsehen wurden immer weniger, je mehr sich unser Ländle seinem Ende näherte. Die Chefsekretärin, bei der wir 1983 die Postbearbeitung erlernten, schlug die Regionalzeitung immer zuerst an einer bestimmten Stelle auf und sagte: “Mal sehen, wer die Freie Presse abbestellt hat?” “Wie bitte?” dachte ich als Lehrling. Damals musste erst jemand abbestellen (Todesfall, Wegzug etc.), um selbst ein Zeitungsexemplar abonnieren zu können. Das erfuhr ich, als ich 1987 drei Jahre nach Abschluss meiner Ausbildung 22-jährig die erste eigene Wohnung bezog. Meine Mutter war gerade bei einer Außenstelle vom Postamt Crimmitschau angestellt. Zeitungen/Zeitschriften wurden auch über diese Filialen vertrieben. Mutti sagte, die Sowjetfrau kannst du sofort erhalten, da kommt das Papier zum Drucken aus der UdSSR. Auch das Neue Deutschland war sofort verfügbar. Mein Schwiegervater (2012 bis 2017) hat es einst als stellv. Leiter der Qualitätskontrolle bei der IFA auch gehalten. Chef der Abteilung konnte er als kirchlich eingestellter Mensch in der DDR nie werden. Mein Vater ging zum Hauptpostamt, um die von mir bezogene Tageszeitung “Junge Welt” (JW) abzubestellen. “Ihre Tochter zieht nach Steinpleis? Da kann sie die JW dort weiter bekommen. ;-)” Zeitungsinserate zum Stellenwechsel waren bei uns untersagt. Mein Vater meinte oft: “Das kannst du machen wie die Dachdecker.” Und wie machen die es? “Die legen immer noch einen drauf'”. Den vorgenannten Berufsstand brauchte das Haus, in das ich zog, nicht. Sonst war allerhand zu erledigen – neue Böden, Kabel unter Putz legen, Malerarbeiten. Ich wurde gefragt, ob ich vielleicht die Kabelkanäle aufstemmen könnte? Mir wurde, als ich den Stand der Bauarbeiten kontrollierte, am Telefon gesagt, die Zweitschlüssel seien geholt, die Handwerker in der Wohnung. Ich traf sie nur nie an ;-). Schließlich wurde es mir zu bunt. Ich reichte eine schriftliche Eingabe beim Rat des Kreises ein. Lokaltermin in meiner zukünftigen Behausung. Wie konnte ich junge, alleinstehende Frau es wagen, mich zu beschweren? War da vielleicht gerade Donnerstag, der lauteste Tag der Woche? Für Unverheiratete war es äußerst schwierig, eine Behausung zu bekommen. Das lernte auch meine geschiedene Kollegin C. Sie rannte jeden Dienstag in höchster Not in der Pause zum gegenüberliegenden Gemeindeamt, Abt. Wohnungswirtschaft. Sie haben gefeixt, wenn sie sie kommen sahen. Eine Vermieterin meinte, sie habe der “Gemeinde” gesagt, käme noch ein Interessent, würde sie diesen die Treppe hinunterschubsen. Eigentümer konnten nicht allein entscheiden, wen sie ins Haus nehmen. Der Ex von C. war vorübergehend in Mecklenburg-Vorpommern als Lokführer eingesprungen. Arbeitskräfte gab es ja auch nicht. Er besaß in Steinpleis ein Wohnhaus und wollte dort mit der neuen Frau leben. Als ich nach einem halben Jahr endlich einziehen konnte, stellten sich die dort wohnenden Hausverwalter bezüglich Antennenanschluss quer. Ich hatte geraume Zeit kein Fernsehen und nutzte einen einfachen Hometrainer (Fahrradergometer) sowie einen Kassettenrecorder, um bei der körperlichen Ertüchtigung etwas Musik zu haben.
© Annemarie Baumgarten 2025-04-04