by MISERANDVS
“Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.” Den Spruch kennt wohl jeder. Und das Leben hält wenig Enttäuschung bereit, wenn man sich den zu Herzen nimmt. Was ein Mann am Ende der Pubertät nicht drauf hat, ist ihm nur mit ganz viel Aufwand einzutrichtern. Dabei – und das wissen Wenige – ist die Lernkurve eine ganz passabel steile, wenn man einen Ratschlag beherzigt: Wie’s der Hund lernt, lernt’s auch der Mann. Mit viel Streicheleinheiten und Leckerlis bis kurz vorm Auf-den-Teppich-Kotzen.
Ich bin jetzt *genuschelte Zahl*-zig, also deutlich ausgelernt, darüber stur und somit so gut wie untrainierbar. Bestechungsversuche durchschaue ich sofort, lass sie mir aber gern gefallen. Und seit ich mich an den derben Eigengeschmack der dunkelroten Frolic-Ringerl gewöhnt hab, bietet die Hundemenükarte mitunter unerwartete Gaumenfreuden, auch, wenn die Konkurrenz nicht gerne teilt, und man deshalb heimlich und vor allem lautlos plündern gehen muss.
Seit gut 20 Jahren sag ich mir immer wieder, wenn ich was Nettes tue und dafür meist bestenfalls Undank ernte, denselben Satz: “Wart, bis man dich um Hilfe fragt! Am Ende bist du sonst immer der Gelackmeierte.” Und ebenso lange will mir der Satz nicht im Schädel haften bleiben, und immer ärgere ich mich wieder über mich selbst.
Als meine Nachbarin mir schreibt, dass sie der Schnupfen des Todes nun doch auch erwischt hat, antworte ich sofort: “Brauchst du was? Sag Becheid! Ich fahr morgen sowieso einkaufen.” Und tatsächlich braucht sie was, schickt mir eine absonderliche Lebensmittelliste. Die Suche nach den Spezialitäten wird mich eine gute halbe Stunde kosten. Sie bedankt sich aber artig. Als ich sie tags drauf wieder frage, braucht sie nichts. Auch, in den kommenden zehn Tagen ist sie wohl wunschlos glücklich. Kann zwar nicht sein, weil sie sonst immer frisch einkauft. Ich halte mich erstmals streng an meinen Vorsatz und frage sie nicht mehr, ob sie was braucht. Schließlich kann sie ja fragen.
Als sie offiziell nimmer tödlich ist, treffen wir einander zufällig im Stiegenhaus. Sie will mir unbedingt rasch das Geld geben für den Einkauf. “Hat Zeit.”, sage ich. Und als ich wissen will, wieso sie nichts mehr eingekauft haben wollte, meint sie: “Es war mir peinlich zu fragen.” Selbst, als ich sie erinnere, ihr Hilfe angeboten zu haben, schaut sie nur verlegen. “Was hast du denn dann gegessen?”, frage ich. Nudeln und Konserven, meint sie. Und jetzt zwei Tage gar nichts.
Dilemma! Nun hab ich endlich meine Lektion gelernt, dränge meine Hilfe nicht mehr auf, und prompt verhungert deswegen beinah meine Nachbarin. Tja, zum Wohle der Allgemeinheit muss ich nun mein hart Erlerntes wohl wieder wegtrainieren. Ich blättere neugierig im Prospekt von Fressnapf. Die Dentasticks schauen nicht so schlecht aus, stelle ich fest, und die sollen gesund und sogar gut für die Zähne sein.
Hans lernt neu, was Hänschen früher schon wusste: Männer sind nicht lernfähig. Aus gutem Grund, meint auch der Hund.
© MISERANDVS 2022-03-16