Marian(n)engraben

Marianne Kerschbaumer

by Marianne Kerschbaumer

Story

Diese simple Floskel hören wir alle fast jeden Tag. Die Antwort darauf ist meist so einfach, wie automatisiert, dass wir oft erst richtig hinhören, wenn sie von der Standardantwort “Eh gut danke und dir so?”, abweicht. Ich hab es schon mit der Wahrheit versucht. Aber im Grunde will die sowieso niemand hören oder die wenigsten können damit umgehen. Ich frage mich ehrlich, ob eine der unzähligen Variation von “Alles Paletti” zur Zeit nicht eine Dauerlüge ist? Wem geht es derzeit tatsächlich gut? Also ich mein so RICHTIG und aus vollem Herzen gut? Ausgenommen jemand ist gerade auf der 372. Weihnachtsfeier und hat mindestens den 5. Punsch intus und seine Wahrnehmung ist dementsprechend getrübt. Aber sonst? Wer kann von sich aus behaupten, dass gerade alles suuuuper läuft? Das müssen meditierende Daueroptimist*innen, verliebte rosa-rote-Brilleninhaber*innen, geübte Kopf-in-den-Sand-Stecker*innen, oder glückliche Erb*innen vom Mateschitz sein, oder? Eine andere Erklärung finde ich im Moment beim besten Willen nicht.

Die meist mit vollkommenen Desinteresse daherkommende, Frage “Na wie geht’s dir?” habe ich so was von satt. Noch satter hab ich nur die an mich gestellte Frage: “Na wie geht’s EUCH?” Keine Ahnung wie es UNS geht, seh’ ich so aus als hätte ich eine Persönlichkeitsspaltung? Obwohl es passieren könnte, dass ich bald völlig ungewollt, jedoch dauerhaft von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde switche. Nein, Spass beiseite! Auf die Frage nach meinem Wohlbefinden habe ich mir eine super ehrliche Antwort parat gelegt: “ES IST LUFT NACH OBEN!” Begleitet von einem Grinsen, kommt dann von meinem Vis à Vis des Öfteren die Rückantwort: “Das muss ich mir merken!” Somit ist das tatsächliche Interesse an der Antwort offengelegt. Nämlich gleich NULL und gleichzeitig das Thema vom Tisch. Für mich eine Win-Win-Situation.

Würde mich tatsächlich jemand fragen, wie viel Luft da nach oben sei, müsste ich wahrscheinlich mit folgender Gegenfrage antworten: “Wie tief ist nochmal der Marianengraben?” Spätestens dann wäre ich wegen dem Wortspiel mit meinem Vornamen und einem daraus resultierenden verlegenen Gelächter meines Gegenübers aus der Nummer raus.

Der Marianengraben liegt übrigens im Pazifischen Ozean. Mit seinen 11.000 Meter erreicht er den tiefsten Punkt der Weltmeere. Dort unten beträgt der Wasserdruck circa 1070 bar. Bezogen auf mein Befinden, könnten Tiefe und Druckangabe passen.

Im Moment hilft mir nur eine Frage wirklich:

Ist der Druck so groß, weil das Leben versucht einen Diamanten aus mir zu machen?

Solltest du dich ähnlich fühlen, dann glauben wir beide jetzt ganz fest daran bald unendlich funkelnd und strahlend durch diese Welt zu laufen.

© Marianne Kerschbaumer 2022-12-17

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