Eigentlich beginnen bei den meisten Ehepaaren nach der Hochzeit erst einmal die Flitterwochen. Aber weil wir ja einen raschen Hochzeitstermin hatten, verbrachten wir nur das Wochenende schön gemütlich, da wir beide keinen Urlaub bekamen. Wie ich bereits schrieb, verlor ich fünf Tage nach meiner Hochzeit im Lainzer Spital mein Baby. Das war für mich sehr schlimm. Mein Mann war damals sehr lieb zu mir und tröstete mich damit, dass wir beide noch sehr jung seien und immer noch bei den Schwiegereltern wohnten.
Wir arbeiteten beide damals 48 Stunden pro Woche. Mein Mann war Schlossergeselle und ich war Hilfsarbeiterin in einer Schneiderei. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich bereits in der Arbeit sehr unruhig war. Ich spürte ganz deutlich, dass etwas Schlimmes passierte. Als ich am Abend von der Arbeit nach Hause kam, erfuhr ich, dass mein Mann mit zwei Fingern auf jeder Hand in die Abkantpresse, mit der Eisen gebogen wurde, hineinkam und sich vom Zeigefinger und Mittelfinger auf beiden Händen die Fingerkuppen abschnitt. Das tat ihm natürlich fürchterlich weh. Er hatte beide Hände ganz dick bandagiert und war viele Wochen im Krankenstand. Damals fingen wir an für uns eine eigene Wohnung zu suchen. Wir verdienten ja beide nicht viel. Aber wir sparten jeden Schilling, den wir übrig hatten. Nur Wohnungen in Wien kosteten damals schon ziemlich viel. Aber im Jahr 1964 war es dann so weit. Da kauften wir uns eine ganz schrecklich alte und verkommene Wohnung mit Küche, Zimmer und Kabinett, um damals 28.000,00 Schilling.
Meine Schwiegermutter sagte, dass sie weinte, als sie die Wohnung das erste Mal sah. Weil darin alles kaputt war. Aber wir waren jung und verliebt und wollten ganz einfach alleine sein. Wir kauften eine 2×2 Meter große Schaumgummimatratze, welche wir am Boden legten. Wir ernährten uns von Wurstsemmeln und Ähnlichem, aber wir konnten die Türe zu sperren und waren alleine. Nur wie wir das erste Brett vom Fußboden aufhoben, sahen wir, dass alles darunter bereits vermodert und morsch war und wie wir die Wände tapezieren wollten, fiel gleich der ganze Putz herunter. Außerdem kamen wir darauf, dass alle Strom- und Gasleitungen zu erneuern waren. Obwohl mein Mann ein guter Bastler war, sahen wir ein, dass das für uns alleine nicht zu machen war. Da ging ich ganz einfach zur nächsten größeren Baustelle, stand dort eine Zeitlang und schaute einem Maurer, welcher dort arbeitete, zu. Dann fragte ich ihn, ob er sich vielleicht ein bisschen dazu verdienen möchte. Bei ihm schaute das verputzen so einfach und schön aus, aber mein Mann und ich waren leider nicht so geschickt. Worauf er meinte, dass er am Wochenende einmal vorbeikommen, um sich das Ganze näher anzuschauen.
Er kam dann auch und meinte: „Na ja, so einfach wie wir uns das vorstellen, wird es leider nicht möglich sein.“ Leider weiß ich heute nicht mehr seinen Namen. Ist aber nicht mehr so wichtig. Weil das Ganze hat sich von 1964 bis 1965 abgespielt. Er war sogar ein Polier. Meine Schutzengel begleiteten mich bereits damals schon. Er arbeitete im Hotel Urania in der Weißgerber Straße. Unsere Wohnung war dort gleich ums Eck, auf Löwengasse 2B. Irgendwie flüsterte mir mein Schutzengel ins Ohr und sagte mir, da musst du stehen bleiben, weil das ist der richtige Mann, den du jetzt brauchst. Wir arbeiteten dann jede freie Minute mit ihm zusammen.
© Franz Kellner 2025-04-27