MC Red Cap (aus der Sicht der Großmutter)

Jan Malz

by Jan Malz

Story

Ich wohne schon seit Ewigkeiten hier mitten im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf entfernt wo meine Tochter und meine Enkelin, Rotkäppchen, leben. Früher fand ich es gut, so weit weg von allen zu leben, da hatte ich gern mal meine Ruhe. Aber jetzt bin ich eine arme, kranke alte Frau, total einsam und weiß nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Jaja, ich weiß, meine Tochter ist beruflich stark eingebunden, aber meine Enkelin Rotkäppchen könnte gern mal öfter vorbeikommen, aber die kommt immer nur, wenn sie etwas will. Heute will sie nach langer Zeit endlich mal wieder vorbeikommen. Ich glaube, sie braucht Geld für einen neuen roten Kapuzenpullover. Sie ist Rapperin geworden und nennt sich MC Red Cap. Na gut, ich will mal nicht so sein, aber dafür muss sie wenigstens zum Essen bleiben. Ich glaube, meine Tochter packt ihr bestimmt wieder so einen Korb für mich zusammen mit einem Stück Kuchen und einer Flasche Wein, den sie schon seit Ewigkeiten im Weinkeller hat. Aber ich bin nicht senil! Den Kuchen und den Wein werde ich nicht anrühren! Meine Tochter kann absolut nicht backen, wenn sie backt haben alle, die davon essen, eine Lebensmittelvergiftung! Und den Wein hat sie bestimmt mit Gift versetzt. Ah, ich höre meine Enkelin. Sie läuft mit ihrem Ghettoblaster durch den Wald und rappt: Ey Leute, was geht ab?! Ich bin MC Red Cap und werde nun meine Oma zu Kaffee und Kuchen besuchen, Yeah! Oh, ich freu’ mich so. Jetzt ist sie ganz nah vor meiner Tür. Aber mit wem redet sie da? Ah, jetzt sagt sie irgendwas von Wolf, ich glaube, sie redet mit Wolfgang, meinem Nachbarn. Okay jetzt wird es Cringe oder so ähnlich, wie die Jugend immer sagt. Ich hör’ sie nicht mehr. Ah, endlich! Es klopft! Da ich aber zu alt bin, um aufzustehen, sagte ich ihr, dass sie einfach reinkommen soll, aber zu meinem Entsetzen war es gar nicht Rotkäppchen, sondern ein Wolf, der mich sofort verschluckte. Jetzt bin ich zur Abwechslung mal ein bisschen froh, dass niemand darauf hört, wenn ich sage gründlich kauen!, denn so lebe ich glücklicherweise noch im Bauch vom Wolf und hoffe, dass ich bald herausgeholt werde. Dieser unverschämte Wolf zieht sich meine Kleider an und legt sich einfach in mein Bett. Was für ne respektlose Person. Jetzt kommt tatsächlich meine Enkelin Rotkäppchen. Sie fragt: Großmutter, was hast du für große Augen? Was hast du für große Hände? Ey MÄDEL, check es! Das bin nicht ich! Und zur Krönung fragt sie noch: Großmutter, was hast du für ein großes Maul? Äh, wie bitte? Ich glaub’ ich hab mich wohl verhört! So spricht man nicht mit seiner Großmutter! Für den Satz gönne ich ihr richtig, dass sie auch verschluckt wurde. Der Wolf legte sich nun in mein Bett und schlief ein. Glücklicherweise kam dann noch der Jäger und begriff, dass ich nicht schnarche. Er schnitt dem Wolf den Bauch auf und befreite uns. Zur Feier des Tages gönnten wir uns dann doch noch Kuchen und Wein von meiner Tochter. Wer den Mundgeruch vom Wolf überlebt, der überlebt dann doch den Kuchen meiner Tochter. Zu meiner Überraschung schmeckte er dieses Mal ganz gut, was, wie meine Enkelin mir gestand, daran lag, dass er von Dr. Oetker war. Z So jetzt zeig’ ich mal wie ich rappen kann: Yeah, top Sigrid hier! Ich will noch schnell sagen liebe Leute: wenn wir nicht gestorben sind, dann leben wir noch heute!


© Jan Malz 2024-04-28

Genres
Novels & Stories, Humor & Satire
Moods
Abenteuerlich, Komisch, Unbeschwert