Meet Francisco Morillo

Wiebke Wetschera

by Wiebke Wetschera

Story

Der erste Ton ist laut, als Francisco auf seiner schwarz-weißen elektrischen Gitarre zu spielen beginnt. Der Klang geht von der Gitarre ĂŒber den VerstĂ€rker hinaus und fĂŒllt innerhalb weniger Sekunden die ganze Straße. Franciscos Fuß tippt im Takt, seine HĂ€nde bewegen sich auf den Saiten seiner Gitarre hoch und runter. Auf dem Kopf trĂ€gt er einen beigen Hut, der sein Gesicht umrahmt. Seine Augen hat der Straßenmusiker geschlossen. “Immer, wenn ich auf der Straße spiele, schließe ich meine Augen und stelle mir vor, dass ich auf einer BĂŒhne stehe”, sagt der 24-jĂ€hrige Hobby-Musiker.

UrsprĂŒnglich kommt er aus Venezuela. Einem Land, in dem die Bevölkerung seit Jahren gegen Armut und Hunger kĂ€mpft. Viele Menschen machen sich daher in andere LĂ€nder auf und hoffen auf eine Perspektive. So auch Francisco, der vor zwei Jahren nach Santiago de Chile gekommen ist, “um ein besseres Leben zu haben.” Und das hat er mit einer Festanstellung als Ingenieur tatsĂ€chlich gefunden. Unter der Woche jongliert er mit Zahlen und komplizierten Berechnungen, doch am Wochenende widmet er sich nur seiner Leidenschaft: der Musik.

Musik wurde Francisco in die Wiege gelegt. Sein Vater war Musiker in Venezuela. Schnell begann auch Francisco erste Instrumente zu spielen und singen zu lernen. Ein anfĂ€ngliches Hobby, das schnell zur Leidenschaft wurde. Mit seiner Musik kann Francisco dem Alltag entfliehen. In Venezuela konnte er seine Existenzsorgen ausblenden, sobald er die ersten Töne spielte. In Chile lĂ€sst ihn das Singen den Stress des Alltags vergessen. Und so steht er samstags und sonntags immer an dem gleichen Platz, vor einer schwarzen Außenwand, die ĂŒber und ĂŒber mit Plakaten beklebt ist. Zu seiner linken befindet sich ein Plattenladen, Musikfans kommen also ohnehin hierher.

Überhaupt laufen durch diese Straße in Santiago de Chile tagtĂ€glich unzĂ€hlige Menschen. An guten Tagen verdient Francisco umgerechnet um die 13 Euro. “Davon lade ich dann meine Freundin zum Essen sein, dafĂŒr kann ich es gut gebrauchen”, sagt der Venezolaner. Er trĂ€umt davon, dass er irgendwann mal nur von seiner Musik leben kann. Wie es auch sein Vater einst getan hat. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, weiß Francisco. Und bis es so weit ist, genießt er die Momente, in denen er hier – mitten in Santiago – stehen kann, und sich dabei in Gedanken schon als bekannter KĂŒnstler auf einer großen BĂŒhne vor vielen Fans sieht. Musik ab, Augen zu, Fantasie an.

© Wiebke Wetschera 2021-03-25

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