Die Seiten sind vergilbt, manche haben im Eifer des Kochens Flecken abbekommen. Der gelbe Leineneinband ist abgegriffen, aber gut liegt es in der Hand, strahlt Wärme und Vertrautheit aus. Es hat damit zu tun, dass es mir meine jetzt 95 Jahre alte Tante vor langer Zeit zur Matura geschenkt hat. Mehr als für Kochrezepte steht dieses Buch für den Lebenssinn, die Lebensweisheit und -tüchtigkeit, für die ich meine Tante so schätze. Das Buch liegt in meiner Hand wie ein Schatz. Es hat etwas Zuverlässiges und Unvergängliches. Das Kochbuch, Elisabeth Schuler, aus dem Andreas Verlag Salzburg 1962, ist quadratisch und hat 550 Seiten. Der Einband war einmal hellgelb. Alle meine Übersiedlungen hat es mitgemacht und den Veränderungen standgehalten. Es begleitet mich bis heute. Ich mag das beruhigende Gefühl, wenn ich es aufschlage. Die Seiten sind vergilbt. Aber wenn ich meine Küchenexperimente mit bewährten Rezepten abgleichen möchte, schaue ich heute noch hinein. Auf das gelbe Kochbuch kann ich mich immer verlassen.
Das erste derartige Buch, das ich mir selber gekauft habe, war das Handlexikon der Kochkunst von Karl Duch, 1963. Das moderne Nachschlagewerk der internationalen und österreichischen Hotel- und Restaurantküche war die Grundlage für den Unterricht in der Fremdenverkehrsschule. Auf 850 Seiten erklärt es die Speisen in Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch. Da lag die Latte doch ziemlich hoch! Aber seither weiß ich, was ein bain-marie ist, was der Gardemanger macht (er ist zuständig für die kalte Küche) und was der Unterschied von parieren (zurechtschneiden) und panieren ist. Im Praktischen war ich weniger geschickt. Aber der Spaß in unserer international zusammengewürfelten Truppe war den Küchendienst wert, er übertraf bei weitem das outcome. Noch immer schaut der Klassiker Karl Duch ein wenig streng vom Regal auf mich herab.
Was das Aussehen betrifft, steht ein italienisches Kochbuch an oberster Stelle. Ich habe es, auch das ist schon lange her, beeindruckt von der exzellenten Küche der Lombardei, aus Mailand, wo ich eine Arbeit hatte, mitgenommen. Stolz steht der schwere Wälzer im soliden Bücherregal. Er hat 1148 Seiten, Dünndruckpapier. Anna Gosetti della Salda hat es 1967 herausgebracht. Es enthält die traditionellen Rezepte sämtlicher Regionen Italiens, viel zu aufwändig für meinen Haushalt. Aber als Lesebuch ist “Le ricette regionali italiane” schon eine sehr feine Sache.
Ein schmales, unscheinbares aber nicht weniger kostbares Büchlein ist das Kopan Cookbook. Darüber schreibe ich ein anderes Mal. Auch dieses steht, so wie die drei anderen, über die ich hier geschrieben habe, für eine bestimmte gelebte Zeit und ein Lebensgefühl, die sich so nicht wiederholen werden. Die alten Kochbücher sind in gewisser Weise dafür Zeugen. Sie sagen etwas darüber aus, wie einst das Leben so war. Und vieles von dem Guten ist uns ja geblieben!
foto fk.
© friederike kommer 2021-01-11