Mein Auftritt bei Lanz

Michael Scholz

by Michael Scholz

Story

Ich war überrascht über die Einladung in die Fernsehsendung “Markus Lanz”. Als Gast – wohlgemerkt. Da ich die Sendung schon einmal vor dem TV-Gerät verfolgt hatte, wusste ich, dass vor allem die Auswahl der Socken und Schuhe entscheidend ist. Bei keiner anderen Talk-Show im deutschen Fernsehen ist die Fußbekleidung so markant zu sehen. Ich entschied mich für zwei unterschiedlich farbige Socken: blau-gelb geringelt und leuchtend grün mit lila Blumenmuster.

Bei den Schuhen wurde es schon einfacher. Irgendwo zwischen den „no brown in town“-Schlappen und dem Allerweltsturnschuh in knallweiß landete ich beim Klassiker schlechthin: schwarze Budapester. Der Budapester wird übrigens in Ungarn Karlsbader genannt. Dies als Hinweis, falls einer meiner Leser mal bei Jauch auf dem Quizstuhl sitzt. Bei Jauch ist es egal, welchen Schuh man trägt. Im Gegenteil – eine barfüßige Teilnahme könnte die Erfolgschancen erhöhen. Jauch würde dann vermutlich grinsend autobiographisch angehauchte Witzchen über Stinkefüße in studentischen Wohngemeinschaften machen und dann eine emotionale Bindung aufbauen, was zu kleineren Hilfestellungen durch Blinzeln oder Mundwinkelzucken führen könnte.

Zurück zum Epizentrum des investigativen Journalismus. Vor der Lanz-Sendung gab es ein Einstimmungsgespräch. Und danach war ich sehr erleichtert. Ich hatte die Sendung schon mal gesehen, war mir aber nicht sicher, ob der Moderator wahrhaftig bei jedem Gespräch sowohl den Fragen- als auch den Antwortteil übernimmt. Dies wurde mir augenzwinkernd zugesichert. Meine Aufgabe sei es, den Moderator hin und wieder durch eine dusselige Antwort aus seinem Konzept zu bringen. Dadurch soll der Eindruck vermieden werden, dass das Gespräch auswendig vorgetragen wird oder gar gänzlich ohne Gäste aufgeführt werden könnte. Dazu gab es die Info, dass ich nicht nervös werden sollte, wenn der Gastgeber auf seinem Stuhl nach vorne in eine Art Angriffsposition rutschen würde. Das Manöver sei Teil der Inszenierung und dient der Veranschaulichung der Lebhaftigkeit der einseitig geführten Diskussion.

Es kam, wie es kommen musste. Der Anblick meiner Socken verwirrte den Starmoderator. Er stellte mir die bohrenden Fragen, die für meine Nachbarin gedacht waren. Doch da er die Antworten sehr routiniert und zügig selbst gab, gelang es mir erst nach ein paar Minuten ihn durch meine Erwiderung „Ist ja interessant. Ich habe Ihr Buch gelesen.“ aus seinem an Selbsthypnose grenzenden Anflug von journalistischer Fragentollwut zu erlösen.

Das Ganze endete mit dem Urschrei „es schneit“. Nein, nicht von Herrn Lanz, sondern vom Nachwuchs aus dem Kinderzimmer. Es gibt sicherlich angenehmere Methoden aus einem so realistischen Traum geweckt zu werden. Egal – Hauptsache wach. Ein versteckter Blick gen Ende der Bettdecke sorgt für weitere Erleichterung: ich trage keine Socken. Und bei dem vermeintlichen Schnee handelt es sich um herumwirbelnde Apfelblüten.

© Michael Scholz 2022-06-05

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