Nachdem ich an verschiedenen Orten in Asien Zeuge von Feuerläufen wurde, entschloss ich mich, diese Erfahrung auch am eigenen Leib zu machen.
Die Tradition des Feuerlaufs gibt es seit vielen tausend Jahren in verschiedenen Kulturen. Die Naturwissenschaft hatte bis vor einigen Jahrzehnten keine Erklärung dafür, wie es funktioniert, dass physikalische Gesetze hier außer Kraft gesetzt werden, aber die Tranceforschung brachte Licht ins Dunkel.
Feuer löst alte Strukturen und schafft Platz für Neues. Der Feuerläufer erprobt das Loslassen alter Ängste und bereitet sich so auf neue Strukturen im Leben vor. Der Feuerlauf setzt Kräfte frei, die vorher gebunden waren. In der Gruppe von Gleichgesinnten wird dabei ein unterstützendes Energiefeld aufgebaut.
Das Feuerlaufen ist grundsätzlich mit Respekt zu behandeln und sollte niemals ohne erfahrene Trainer durchgeführt werden. Die glühenden Kohlen erreichen eine Temperatur von 700 bis 1000 Grad Celsius. Eine intensive Vorbereitung befähigt die Teilnehmer, unverletzt über das Feuer zu gehen. In der Zeit vor dem Feuerlauf wird jeder darin unterstützt, sich körperlich, emotional, mental, spirituell und energetisch auf den Feuerlauf optimal vorzubereiten. Dann wird gemeinsam ein Holzstoß errichtet und angezündet. Das Feuer brennt ca. zwei Stunden, bis in die Nacht hinein. Währenddessen stimmen sich die Teilnehmer auf den Zustand des Feuerlaufs ein. Nachdem der Trainer den Glutteppich sorgfältig vorbereitet hat und auch den Feuerlauf durch eigenes Überschreiten eröffnet, können die Teilnehmer 1- bis 3-mal über einen frisch ausgebreiteten Holzkohlen-Glut-Teppich von ca. zwölf Metern Länge gehen. Es gibt aber keine Verpflichtung über das Feuer zu gehen, jeder Teilnehmer trifft seine eigene Entscheidung. Während man über die glühenden Kohlen geht, kann man sich entweder vorstellen, dass man über »feuchtes grünes Moos«, über »taunasses Gras« oder über eine »Schneefläche« geht. Aber man kann sich auch mutig der Realität des Lebens stellen: »Ich gehe über glühende Kohlen und ich kann das!« Diese Situation ist vergleichbar mit der eines jungen Adlers, der kurz davor ist, sich zum ersten Mal vom Nest abzustoßen, um selbständig und frei zu fliegen. Er hat es noch nie getan, doch im Innersten weiß er, dass er es kann. Und der Adler vertraut seiner inneren Stimme und tut es im richtigen Moment.
Sowohl mein Mann, als auch eine Reihe anderer Teilnehmer und ich wussten in dieser Nacht im Waldviertel intuitiv, wann dieser richtige Moment gekommen war. Wir bereiteten auch innerlich ein persönliches Ziel vor – ein Ziel für das es sich lohnt, durchs Feuer zu gehen. Die Gefühle dabei sind schwer in Worte zu fassen, da sich der Ausnahmezustand oft der Sprache entzieht.
Um der Wahrheit Genüge zu tun, muss ich allerdings berichten, dass ich selbst eine ganz kleine Brandblase bekam, die aber ungewöhnlich bald verschwand.
© Ulrike Sammer 2020-07-04