Die senegalesische Schriftstellerin Faton Diome schreibt: “Das Schreiben ist mein Hexenkessel, in dem ich nachts Träume siede!” So ähnlich geht es mir, wenn sich nach meinen kurzen Schlafphasen plötzlich Erinnerungen bemerkbar machen und ich schon früh morgens zu schreiben beginne.
So tauchten die Bilder meines letzten Konzerts mit der von mir aufgebauten Trachtenkapelle Sallingberg auf. Es war einfach Zeit, nach 28 wunderbaren Jahren musikalischen Wirkens die Leitung der Musikkapelle in jüngere Hände zu legen. Wie es meine Art ist, habe ich dafür gesorgt, junge Musiker und Musikerinnen dazu zu animieren, die Kapellmeisterprüfung abzulegen. Und Traudi T. , eine besonders begabte Musikerin, schien prädestiniert dafür, meine Nachfolge anzutreten.
So war für den 24.Mai 1998 das Schlusskonzert im GH Welt in der Nachbarortschaft Voitschlag angesetzt. Zirka 300 (!) Besucher wollten sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Darunter waren auch einige Kollegen meines Jahrganges aus der Zeit unseres gemeinsamen Studiums an der Lehrerbildungsanstalt St.Pölten. Das freute mich natürlich besonders, hatten sie doch teilweise eine weite Anfahrt in Kauf genommen, um – ich sage “meine”- Kapelle zu hören.
Das Programm hatte ich sehr bunt gewählt. Von Polkas, Märschen und Walzern reichte es bis zu modern arrangierten Stücken. Als wir dann die Nummer “Hootenanny” intonierten, ging ein Raunen durch die Reihe der Besucher, denn das war ein ziemlich anspruchsvolles Unterfangen für die Musiker. Sogar der Kapellmeister einer benachbarten Musikkapelle drückte seine Anerkennung aus. Zur Erläuterung: Die Herkunft der Bezeichnung “Hootenanny” wird in Schottland vermutet und fand in der gesamten Folk- Szene in den USA Verbreitung. Bereits 1951 gab es zwei Definitionen für dieses Wort, nämlich “Dingsda” und “Treffen von Folk-Sängern zur Unterhaltung”. Besonders vom 17. bis 19.Jahrhundert waren fahrende Sänger, vergleichbar mit unseren Bänkelsängern, auf Jahrmärkten und Ähnlichem unterwegs, um ihre Moritaten vorzutragen.
Als dann meine Nachfolgerin den Taktstock übernahm und die Kapelle Time To Say Goodbye anstimmte, erfasste mich doch eine gewisse Wehmut in dem Bewusstsein, dass ein wesentlicher Abschnitt meines Lebens nun vorbei ist!
Der Obmann unseres Musikvereines überreichte mir nicht nur eine Tafel mit einem geschnitzten Violinschlüssel, sondern auch die Urkunde der Ernennung zum Ehrenkapellmeister!
Als Erinnerung an meine lange Tätigkeit für die Trachtenkapelle behielt ich mir das Mundstück des Tenorhorns zurück, da ich mit diesem am längsten geblasen hatte.
© Hannes Zeisler 2021-07-16