Mein Vater, den ich erst mit 30 kennenlernte.

Nikolaus Mathoy

by Nikolaus Mathoy

Story

Erst als meine Mutter, Zitat Mathoy gestorben war, hat sich mein Vater, Andre Geiger, bei mir erstmals gemeldet. Da war ich schon 30 Jahre alt. Er erklärte mir, dass ihm meine Mutter bald nach der Geburt verboten hat, mit mir Kontakt aufzunehmen.

ich war ja ein uneheliches Kind und das war in 1950er Jahren eine Schande für die ganze Familie meiner Mutter. Sie war als Mitarbeiterin in der Familie ihrer ältesten Schwester Hüttenwirtin auf der Alpenvereinshütte Kölner Haus. Diese Hütte wurde von meinem Onkel gemeinsam mit der Sektion Köln des DAV 1928 fertiggestellt.Sie liegt auf auf etwa 2000 hm auf der Komperdell Alpe der Gemeinde Serfaus. Von dort gab es knapp nach dem 2. Weltkrieg schon eine Materialseilbahn bis zur Hütte und der angestellte Betriebsleiter war Andre Geiger, mein Vater. Es kamen damals schon viele Touristen sowohl im Sommer, als auch schon im Winter, natürlich alle zu Fuß auf das Kölnern Haus. Nur das Gebäck konnte schon mit der Materialseilbahn transportiert werden. Heute ist Serfaus ja ein international bekannter Tourismus Ort mit ca 8000 Gästebetten bei 1300 Einwohnern.

Damals gab es aber noch wenig Verdienstmöglichkeiten für die jungen Serfaus Männer und Frauen, So versuchten sie, sich mit Schmuggelwanderungen in die Schweizer Zollfreizone Samnaun Geld zu verdienen. Der Ort Samnaun ist ein auf 1800 m gelegener kleiner Ort noch auf Schweizer Gebiet, jedoch sehr schwer von dem Schweizer Engadin, dem Inntal zu erreichen. Deshalb bekam es vom Staat die Erlaubnis, weder Zoll zu bezahlen noch die Umsatzsteuer einheben zu müssen. Dadurch waren alle Waren und sind bis heute noch viel billiger als in Österreich und der Schweiz. Dazu kommt, dass es nach dem 2. Weltkrieg in Österreich viel Dinge noch nicht gab und so entstand ein reger Warenaustausch, vielfach unerlaubt als Schmuggelgut. Die Grenze war daher gut bewacht, auch im Hochgebirge.Vom Kölnerhaus musste man über 5 Jöcher in 6 stündigem Marsch nach Samnaun wandern, dort einkaufen und dann wieder zurückgehen, das alles großteils in der Nacht und unter Ausweichruten, wenn Zöllner gesichtet wurden. Auf Traggestellen wurden Lasten um die 70 kg transportiert, meistens Kaffee, Zigaretten, Seidenstrümpfe und Schokolade. Mein Vater war für diese Schmugglergruppe der Chef und Organisator, er verteilte das Schmuggelgut und machte es in der Stadt zu Geld.Er war offensichtlich auch als junger Mann schon sehr innovativ, wie mir erst lange nach seinem Tod berichtet wurde. Er war als junger Soldat mit 19 Jahren bei Kriegsende in Jugoslawien und wurde dort in ein Gefangenen Lager gesteckt, bei dem er im Wald beim Holzfällen arbeiten musste. dabei bekamen die Gefangenen so wenig zum Essen, dass viele verhungerten. Er schlich sich aber oft in der Nacht aus dem lager und klaute bei Bauern in der Umgebung Lebensmittel. So konnte er und einige seiner Mitgefangen überleben. Er kam 1947 bis auf die Knochen abgemagert zurück in die Heimat. Bei einem Besuch von ehemaligen Kameraden von damals haben jene erzählt, dass sie nur durch ihn überlebt hätten.


© Nikolaus Mathoy 2025-05-02

Genres
Novels & Stories