Mein verwunschener Garten

Gudrun Winklhofer

by Gudrun Winklhofer

Story

Mein Garten ist leicht verwildert und ein bisschen verwunschen. Ich mag keinen Garten, der nur Arbeit macht und den man nicht genießen kann, in dem die Blumen so und dann blühen müssen, wie der Gärtner oder die Gärtnerin es wünscht, wo kein Ästchen eines Strauches vorwitzig über die dem Gewächs zugedachte oder aufgezwungene Form hinauswachsen darf, wo die vergilbenden Blätter der Frühlingszwiebelblumen nicht in Ruhe einziehen dürfen, weil sie in den Beeten störend wirken, wo jedes herabfallende Blatt oder verdorrte Zweiglein sofort beseitigt werden muss und wo kein Platz für Tiere ist.

In meinem Garten gibt es verwunschene und verwachsene Ecken, Verstecke für Tiere, Feen, Elfen und Träume. Die vom Efeu überwucherte Mauer ganz hinten – ist das nicht ein wunderbarer Platz für kleine Gartenfeen? Die erst in den blauen Dämmerstunden der Sommerabende hervorkommen, um sich mit den Blumenelfen zu vergnügen? Die in den Blüten der Akeleien oder auf den Rispen der hohen Gräser schaukeln, auf Libellenrücken durch den Garten fliegen, mit Nachtfaltern spielen? Die im milden Mondlicht am Teich ihr Mittsommerfest feiern und dann, berauscht vom Nektar und vom Duft der Blumen, von den Glühwürmchen wieder in ihr Versteck geleitet werden? Das gibt es nicht? Doch, in meinem Garten schon! Ist er auch klein, bietet er doch genügend Spielraum für die Träume einer sehr romantisch veranlagten Gärtnerin …

Mein Garten ist aber auch ein Tierparadies, vor allem für die Vögel. Amseln, Kohlmeisen, Blau- und Tannenmeisen, Buchfinken, die Spatzen nicht zu vergessen, Rotkehlchen und Gartenrotschwänzchen, die Zaunkönige, das hübsche Türkentaubenpärchen, das jeden Frühling wieder täglich in den Garten kommt – sie alle fühlen sich wohl hier! Ebenso die Schmetterlinge, die Libellen am Teich, die Hummeln, Bienen, Marienkäfer und viele andere Insekten, aber leider auch die Schnecken, die alle Jahre wieder in Windeseile die ersten Narzissen vernichten. An manchen Sommerabenden höre ich einen Igel durchs Gebüsch rascheln. Ab und zu verirrt sich auch eine Katze in den Garten, aber das ist wohl eher ein Versehen, denn die in der Nachbarschaft beheimateten Katzentiere wissen, dass der Herrscher des Gartens, ein Schäfer-Setter-Mischling namens Hektor, sie nicht in seinem Revier duldet. Wahrscheinlich geraten sie nur dann in herein, wenn sie auf Mäusejagd sind, denn mein Garten ist auch ein kleines Mäuseparadies! Ich bringe es nicht übers Herz, die possierlichen Nager zu vernichten.

Mehrmals täglich drehe ich meine Gartenrunden, um diese Rose zu betrachten und den Blütenduft zu riechen oder um nachzusehen, ob sich nicht doch endlich die Blüten der Clematis geöffnet haben. Ich zupfe hier ein Thymianzweiglein ab und streiche dort mit der Hand über den Rosmarinbusch, um das würzigen Aroma zu genießen, ich verrücke einen Blumentopf auf der Terrasse, damit er mehr Sonne abbekommt, verweile am Teich um die Libellen zu beobachten, setze mich kurz auf die Bank vor der Efeuwand, um meinen Blick durch den Garten schweifen zu lassen, lache über die Spatzen, die in der trockenen Erde unter dem Pfirsichbaum laut zwitschernd ein Staubbad nehmen, wechsle ein paar Worte mit der Amsel – doch, sie antwortet mir! – und erfreue mich an meinem Gartenparadies!

© Gudrun Winklhofer 2025-06-15

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Inspirierend, Unbeschwert, Entspannend
Hashtags