Mein Weg! -32- ScharfschĂĽtze & Funker

TomTom

by TomTom

Story
Europa 1971 – 2025

Wenn ich heute auf meine Zeit in der Grundausbildung zurückblicke, denke ich zuerst an zwei Begriffe, die damals für mich fast schon heldenhaft klangen: Scharfschütze und Funker. Beides klang nach Verantwortung, nach Technik, nach Präzision – und ja, auch nach einer Prise Abenteuer. Ich war bereit, etwas Besonderes zu leisten, mich zu beweisen. Doch wie so oft im Leben kam es anders als gedacht. Die Ausbildung zum Scharfschützen war mit hohen Erwartungen verbunden. Ich hatte mir das Ganze wie einen militärischen Präzisionssport vorgestellt: Ziel erfassen, schießen, treffen. Doch sehr schnell wurde mir klar, dass das eigentliche „Training“ nicht am Abzug, sondern im Kopf stattfand.

Das stundenlange Liegen in Deckung, das absolute Bewegungsverbot, die ständige Beobachtung durch Ausbilder – all das forderte eine mentale Stabilität, die ich vorher nicht kannte. Ich war es gewohnt, mich zu bewegen, aktiv zu sein. Stillzuhalten, sich im Gelände zu tarnen, nicht aufzufallen – das war eine Herausforderung, die viel mit Selbstkontrolle zu tun hatte. Der Umgang mit der Waffe selbst war faszinierend – die Feinjustierung des Visiers, das Einschießen, die Berechnung von Wind, Entfernung und Zielbewegung. Technisch anspruchsvoll, ja – aber selten spektakulär. Es war Handwerk, kein Film. Es ging nicht um Heldentum, sondern um Disziplin, Genauigkeit und Geduld. Eigenschaften, die ich in dieser Form erst dort lernen musste. Parallel dazu wurde ich als Funker ausgebildet – eine Aufgabe, die in militärischen Abläufen enorm wichtig ist, aber kaum Aufmerksamkeit bekommt. Als Funker sitzt man oft abseits des Geschehens, mit Kopfhörern auf dem Kopf, notiert verschlüsselte Meldungen, sendet Koordinaten, bestätigt Befehle. Die Kommunikation erfolgt in Codes, unter Zeitdruck, mit absoluter Präzision.

Ein Fehler – eine falsche Zahlenreihe, eine überhörte Abkürzung – kann schwerwiegende Folgen haben. Entsprechend hoch ist der mentale Druck. Und dennoch wirkt die Tätigkeit für Außenstehende unspektakulär, fast monoton. Was ich daran mochte, war die Klarheit. Es gab keine Interpretationsspielräume, keine halben Entscheidungen – entweder die Meldung wurde richtig übermittelt, oder nicht. Was mir schwerfiel, war die Isolation. Während andere draußen übten, blieb ich oft auf meinem Platz, abgeschirmt von der Gruppe, ständig auf Empfang.

Die Kombination aus beiden Rollen – Scharfschütze und Funker – war ungewöhnlich, aber sie hat mich in einer Weise gefordert, die ich vorher nicht kannte. Es waren keine spektakulären Einsätze, keine heldenhaften Momente, die mir im Gedächtnis geblieben sind. Es waren eher die kleinen Siege: ein besonders sauberer Schuss. Ein fehlerfreier Funkdurchgang unter Stress. Der Moment, in dem ein Ausbilder ein knappes, aber ehrliches „gut gemacht“ äußerte. Ich habe gelernt, dass nicht jede wichtige Arbeit sichtbar ist. Dass Geduld oft mehr Kraft kostet als Aktion. Und dass innere Ruhe kein Zustand ist, sondern ein hart erarbeitetes Werkzeug.




© TomTom 2025-07-07

Genres
Biographies
Moods
Abenteuerlich, Herausfordernd, Hoffnungsvoll, Reflektierend, Angespannt
Hashtags