Es gibt Freunde, die uns inspirieren und ermutigen; es gibt aber auch diese „Schein-Freunde“, die unsere Träume mit den Füßen treten. Genau so eine „Freundin“ habe ich. Und fragt mich bitte nicht, warum ich überhaupt mit dieser Frau befreundet bin. Dieser Masochismus ist mir selbst nicht klar.
Jedes Gespräch mit ihr ist wie ein Schluck von faul riechendem Abfallwasser. Nein, sie beleidigt mich nicht direkt ins Gesicht, sie streut ihr Gift mit einer lebenslang geübten Raffinesse, z. B. Durch solche herablassenden Randbemerkungen wie: „In den Stadtwohnungen leben nur Nichtnutzen, Asoziale und Alkoholiker“. Was für ein Zufall, ausgerechnet ich wohne in einer Stadtwohnung (und bin sehr glücklich darüber, weil die Mietpreise in Innsbruck irreal sind). Ja, und ich lebe in diesem „Kaff, wo nur primitive und ungebildete Dörfler herumlaufen“, und ich liebe es vom ganzen Herzen.
Als ich mit meinem zweiten Studium endlich fertig war (und das war wirklich eine Herausforderung für mich, weil ich noch„nebenbei“ eine Familie habe), fragte sie mich mit einer verächtlichen Gelassenheit: „Und hast du zumindest einen Masterabschluss geschafft?“. Beinahe ist mir ausgerutscht: „Mein Liebes, du hast noch überhaupt kein einziges Studium in deinem Leben abgeschlossen, nicht mal an einer ‚leichten‘ österreichischen Uni, wo ‚sowieso jeder Trottel ein Diplom geschenkt bekommt“, aber ich hielt mich natürlich zurück.
Nichts kann mir meine Freundin gönnen. Als ich in den zwei Jahren des Corona-Wahnsinns mein Traumstudium mit lauter „1“ abschloss, erzählte sie mir eines Tages (natürlich zufällig) über eine Bekannte, die schon weit über 40 ist und noch „so einen Blödsinn wie Medien“ studiert. Ich hielt es nicht aus und antwortete zurück: „Wie komisch, dass du es mir erzählst. So ein Zufall, ich habe dasselbe studiert“. „Ich habe natürlich nicht dich gemeint. Sei nicht so sensibel“, munterte sie mich auf.
Über meine Kurzgeschichten, die ich auf einem „komischen Forum von alten und senilen Trotteln“ veröffentliche (ja, sie meint damit euch, meine lieben Storyaner), spricht sie zum Glück nur selten. Offensichtlich sind meine Storys nicht erwähnenswert.
Kürzlich, als wir zusammen zu Mittag aßen, schaute sie mich mit einem inspizierenden Blick an und brachte dann zufrieden heraus: „Du hast aber tiefe Falten auf der Stirn“. Natürlich habe ich Falten, ich bin ja nicht mehr 20, wollte ich ihr sagen. Und übrigens hast du mehr Falten, obwohl du jünger bist, dachte ich und lächelte sie an. Ja, ich habe Falten und graue Haare (stellt euch nur sowas vor), aber fühle mich trotzdem schön und geliebt. Zum Unterschied von dir, meine falten- und herzlose (und übrigens auch diplom-lose) Freundin. Und falls du dich hierher, in dem „komischen Forum von alten Trotteln“ zufällig verirrst und dich selbst in dieser Geschichte erkennst, dann solltest du es wissen – ich habe nicht dich gemeint. Sei nicht so sensibel.
© Albina Hovhera 2021-12-21