Mit dem Fahrrad bis ans Schwarze Meer

Walter Stübler

by Walter Stübler

Story

2020: 40 Jahre ist es her, dass ich mit dem Fahrrad bis ans Schwarze Meer gefahren bin, in 17 Tagen von Pöchlarn bis Constanța, knapp 1.600 km.

1979 machte ich mit Freunden zahlreiche längere Tagestouren mit dem Fahrrad. Irgendwann reifte der Gedanke: Wir fahren mit dem Rad ans Schwarze Meer.

Am 9. Juli 1980 um 6 Uhr in der Früh ging es los: zu dritt, mit minimalem Gepäck, zwei Osteuropa-Seiten aus einem Autoatlas als „Navi“, 30 Riegel Mars als Notproviant. Nach mehr als 150 km und viel Gegenwind erreichten wir an diesem ersten Tag Sopron. Über die Grenze schmuggelte ich in der Schuhsohle Forint (Titelbild!) – die Einfuhr von ungarischem Geld war damals verboten.

Während der Fahrt zum Plattensee erwischte uns beim Picknick im Straßengraben ein fürchterlicher Landregen. Zum Glück gewährte uns jemand Unterschlupf, wir blieben trocken. Quartier fanden wir an diesem Tag allerdings keines mehr, wir schliefen im Schlafsack in einem Weingarten, rund um ein zuerst noch wärmendes Lagerfeuer.

In Budapest übernachteten wir in einer Arztwohnung um 50 Schilling pro Nacht und besichtigten viel. „Schwarz“ Geldwechseln war reizvoll, einmal fiel ich allerdings auf einen Taschenspielertrick rein, für 1000 Schilling hatte ich am Ende nur Forint im Gegenwert von 40 Schilling in der Hand.

Ab Budapest fuhr ich allein weiter. Ich wollte so rasch wie möglich nach Rumänien. Ich beschloss, die ganze Nacht durchzufahren, abwechselnd zwei Stunden am Rad und zehn Minuten Pause. Um 4 Uhr 30 gönnte ich mir – noch in Ungarn – ein kleines Nickerchen, danach überquerte ich die ungarisch-rumänische Grenze.

Rumänien hatte Einiges zu bieten: Herrliche Landschaft, freundliche Leute (die älteren konnten alle Deutsch), siegreiche Wettfahrt gegen zwei Hunde, Übernachtungen im Freien ohne weitere Begegnungen mit Tieren, im Windschatten bzw. Schlepptau großer Traktoren schaffte ich einmal sogar mehr als 200 km am Tag.

Chaostage zum Schluss in Constanța:- Man sollte eigentlich keine militärischen Gebäude fotografieren. Genau das tat ich aber (Hafen in Constanța), wurde daraufhin festgenommen, auf einer Polizeistation verhört und nach drei Stunden wieder freigelassen.- Der Kauf einer Bahnfahrkarte zurück nach Wien entwickelte sich zu einem Spießrutenlauf von einem Reisebüro zum anderen, Bezahlung in Westwährung oder doch in Lei, habe ich überhaupt noch genug Geld mit, Reservierung eines Sitzplatzes bzw. der Fahrradmitnahme erst unmittelbar vor Abfahrt des Zuges möglich.- Auf dem Campingplatz in Mamaia fehlten eines Morgens die Satteltaschen meines Fahrrads, samt Reservegewand und Fotoapparat inkl. Filmen. Lediglich Pass und Geld blieben mir.

Die Rückreise endete um Mitternacht in Melk, ein Freund brachte mich nach Pöchlarn. Er wunderte sich sehr, mich in kurzer Hose aus dem Zug steigen zu sehen, als Gepäck lediglich eine Herrenhandtasche. Im Auto kurbelte er rasch die Fenster ganz nach unten.

© Walter Stübler 2020-12-02

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