by Nina Burian
Mama sagt heute oft: âDie Schule hast du ja eher im Fernstudium absolviert.â Nun ja, sie hatte recht. Statt in die Schule zu gehen, trieb ich mich lieber im Park rum oder war Gast in diversen KaffeehĂ€usern. Oder ich blieb einfach daheim. Denn am allerliebsten vergrub ich mich in meinen BĂŒchern, insbesondere in Harry Potter.
Irgendwie hatte ich es dann aber ins Maturajahr geschafft. Das hatte ich wahrscheinlich zu einem groĂen Teil Frau Prof. Böhm, meiner Englischlehrerin zu verdanken. Sie drĂŒckte nĂ€mlich Jahr fĂŒr Jahr alle Augen und HĂŒhneraugen zu, wenn meine âsâ, eher sporadisch mit âheâ, âsheâ oder âitâ mit gingen. Und sie war taub fĂŒr mein gelispeltes âthâ, fĂŒr das ich heute noch von meinen Freunden gehĂ€nselt werde (Ich kann es ihnen nicht verĂŒbeln, denn wer möchte bitte âGame of Sssronsâ schauen).
Bald mussten wir uns fĂŒr ein Spezialgebiet fĂŒr die MaturaprĂŒfung entscheiden und mir wurde ganz heiĂ beim Gedanken, dass mir Frau Prof. Böhm nicht vor der PrĂŒfungskommission wĂŒrde helfen können. Was also tun? Lustigerweise kam der rettende Einfall eines Abends von meiner Mama: âAus britischen Autoren könnt ihr euer Spezialgebiet auswĂ€hlen? Frag doch, ob du Harry Potter nehmen darfst, die Rowling ist doch Britin.” Sie deute auf das Harry Potter Buch, das aufgeschlagen vor meinem Teller lag. Ich starrte meine Mutter an. Mein Löffel schwebte vergessen am Weg zum Mund in der Luft, ein bisschen Spinat tropfte aufs Buch. Ich hatte jeden Band bestimmt 10 Mal auf Englisch gelesen. Es war so naheliegend, dass ich einfach baff war von der GenialitĂ€t meiner Mutter.
In der nĂ€chsten Englischstunde trat ich schĂŒchtern vor Frau Prof. Böhm und versuchte sie mit meinen besten Argumenten zu ĂŒberzeugen: âJa, wissen Sie⊠Rowling ist doch Britin und ja, Ă€hm. Ich hab die auf Englisch verschlungen!â Nie werde ich diesen Moment und ihren funkelnden Blick vergessen, mit dem sie mich musterte. Ihre Augenbrauen verschwanden fast unter ihrem Haaransatz. Mein Herz setzte fĂŒr eine Sekunde aus. Dann bellte sie: âIn englisch please!”
Erleichtert atmete ich aus, trug mein Ansinnen nochmal vor und weil mein Englisch eh nicht âunder all pigâ war, durfte ich wirklich Harry Potter als Spezialgebiet wĂ€hlen. Das hieĂ fĂŒr mich auch, ich musste nichts fĂŒr Englisch lernen. Denn das Harry Potter Universum konnte ich im Schlaf wiedergeben. Ob Sie es glauben oder nicht, bei meiner Englisch Matura musste ich Quidditch Regeln erklĂ€ren. Ich schwebte wie Harry auf seinem Besen vor der Kommission durch alle Fragen und wirklich, ich hatte es geschafft. Und eines kann ich mit Sicherheit sagen, ohne Matura hĂ€tte mein Leben ganz anders ausgesehen.
Es sind die kleinen Dinge, die unser Leben verÀndern. Harry Potter bekam mit elf seine Eule, die ihn nach Hogwarts einlud. Ich bekam zu meinem 11. Geburtstag den 1. Harry Potter Band von meinem Papa geschenkt. Und ein kleiner Spinatfleck wird mich ewig an den Einfall meiner Mama erinnern. Man könnte sagen, ein magischer Moment.
© Nina Burian 2021-11-03