“Mohnblumen träumen nicht”

Beatrice Rey

by Beatrice Rey

Story
Auf einem Mohnfeld 2010

Ich lag auf einer Wiese voller roter Blumen, jede einzelne war individuell und wunderschön. Diese Eleganz, wie sie im Wind wehten und sich gegen das Umkippen wehrten, erzeugte in mir ein Gefühl der Ruhe. Dieses unverwechselbare Geräusch, das entsteht, wenn sich Wind und Blume vereinen und ein sanftes Rauschen erzeugen, erfüllte die Luft. Ein Paradies voller Klatschrosen, oder wie man sie im Alltag nennt, Mohnblumen. Da wir Anfang Juli hatten, blühten die roten Blumen besonders prächtig. Die Blüten des Mohns sind rot, auffällig und groß, ihre Schönheit war unverkennbar. Dem Mohn wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben; er ist nicht nur eine wichtige Pflanze für die Herstellung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, sondern wird oft auch mit Tod und Vergänglichkeit in Verbindung gebracht. Aber auch Liebe, Schönheit und das Leben selbst können durch ihn symbolisiert werden. Erst bei näherer Betrachtung fiel mir auf, wie einzigartig und faszinierend diese Zierpflanzen sind. Die Blüte zeigt eine „Knitter-Optik“ und in der Mitte liegen die schwarzen Samen. Im alten Persien symbolisierte der schwarze Samenkelch die Leiden der Liebe. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es die erste blühende Pflanze, die sich auf den Grabhügeln der gefallenen Soldaten niederließ und aus den Ritzen des Steins erblühte.

Die Farben strahlten vor Leben und Reinheit. Wenn sich die Wolken neu formten und ordneten, fielen dünne Sonnenstrahlen auf die prächtigen Blüten, die dadurch noch intensiver in ihrem Rot erstrahlten. Die Grashalme kitzelten meine rechte Wange, die Strahlen der Sonne erwärmen meine nackten Beine, Arme und meine Brust. Ich spürte, wie ich in diesem Feld versank und mich treiben ließ. Meine Gedanken verschwanden, meine Schmerzen, die jeder Mensch mit sich trägt, waren für einen Moment erloschen. Die besondere Anziehungskraft dieser wunderschönen Blumen berührte mein Herz und meine Seele. Ich dachte daran, wie vergänglich das Leben ist, so zerbrechlich wie die dünnen Stiele, die sich immer noch im Winde krümmten. Die grünen, behaarten Halme strecken sich knapp einen Meter über meinen Kopf aus und wehten im Wind. Die Pflanze richtete sich so stark nach rechts, als ob sie mir den richtigen Weg deuten wollte.

Als Kind habe ich Mohnblumen oft gesehen – im Feld, zwischen dem Getreide, am Wegesrand oder in der kleinen Stadt, ja fast schon ein Dorf, wo ich damals lebte. Überall sprangen sie aus dem frischen Boden heraus und gediehen.

Doch so schön sie auch waren, habe ich ihnen nie wirklich Beachtung geschenkt. Warum eigentlich? 

© Beatrice Rey 2024-07-25

Genres
Novels & Stories
Moods
Unbeschwert, Reflektierend, Inspiring
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