Momentaufnahmen im April

Margit Thürauf

by Margit Thürauf

Story
Bamberg 2024

Blühende Bäume

Der sechste Tag des Monats. Es werden 27 Grad gemessen. Die Magnolienblüten sind bereits abgefallen und ich gehe auf dem Gehsteig über einen Blütenteppich aus Magnolienblütenblättern. Ich hebe eine schöne auf und gebe sie meiner kleinen Enkelin, die sich heute bequemerweise im Kinderwagen schieben lässt. Die Blütenblätter fühlen sich dick an, fleischig fast. Ich erzähle Pauli, dass es Büsche und Bäume gibt, die zuerst Blüten bekommen und danach wachsen Blätter. Und es gibt andere, die werden erst grün und blühen danach. Heute zählen wir alle rosablühenden Bäume. Gestern waren es die gelben. Nun kommen wir an einer grünen Hecke an. Mein Kopf fährt herum. War das Fliederduft? Tatsächlich. Die Fliederblüten sind noch grün, aber sie duften bereits. Es ist der sechste Tag im April 2024. Für Fliederduft interessiert sich Pauli noch nicht. Sie konzentriert sich aufs Zählen der rosablühenden Bäume.

Vor der großen Sonnenfinsternis

In den USA findet nach sieben Jahren erneut eine totale Sonnenfinsternis statt. Ich erinnere mich an die letzte große Sonnenfinsternis, die ich erlebt habe. Wie alle Vogelstimmen mit einem Mal verstummt sind und es dunkel und kühl wurde. Viel hat man nicht gesehen. Das eigentliche Ereignis war das, was in der Natur rundherum passiert ist und das hat sich tief in mein Gedächtnis eingegraben. Die Stille vorher war genauso wie die gespenstische Stille vor dem Tsunami in Thailand, als sich das Meer zurückzog und das Wasser plötzlich weg war. Das habe ich nicht live erlebt, es war nur eine Verbindung in meinen Kopf zwischen der Stimmung kurz vor der Sonnenfinsternis und kurz vor dem Tsunami. Die Sonnenfinsternis hatte keine dramatischen Folgen. Als die Sonne nach zweieinhalb Minuten wieder hinter dem Mond hervorkroch, kam das Leben zurück. Aber das Gefühl vorher war gespenstisch. Die totale Sonnenfinsternis, die ich erlebt habe, war am 11. August 1999. Die nächste über Deutschland werde ich voraussichtlich nicht live erleben. Sie ist auf den 3. September 2081 datiert, da wäre ich 126 Jahre alt.

SUPPORT YOUR LOCAL

Mittags gehe ich gerne in einen kleinen Imbiss mit Biogerichten. Mir reicht eine kleine Portion, die ich am liebsten direkt dort verspeise. Es gibt wenige eng stehende Zweiertische, auf jedem Tisch steht etwas Deko. Während ich es mir bequem mache, lese ich am Nachbartisch auf einer kleinen Schiefertafel: RESPECT ANOTHER. Steht an meinem Tisch dasselbe? BE THANKFUL lese ich auf meiner Tafel. Das bin ich. Der Imperativ stört mich. Und bei meiner Nachbarin zur Rechten? BE HAPPY. Sie sieht aus, als ob ihr das Essen nicht schmeckt. Ich kann einen weiteren Tisch von meinem Platz aus einsehen. Dort steht: IT‘S A GOOD DAY. Das kann man so oder so sehen. Als ich aus der Tür hinaus auf die Straße trete, entdecke ich einen großen Aufsteller vor dem Bio-Kinderbekleidungsladen gegenüber. Darauf steht SUPPORT YOUR LOCAL. Offensichtlich sprechen alle einheimischen Bioladeninhaber englisch. The customers as well?

© Margit Thürauf 2024-04-07

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch, Reflektierend