Mein Rad steht draußen angeschlossen.
Es ist morgens 7:30 Uhr und ich sitze in dem Café, in dem ich immer sitze, bevor ich rüber gehe zum Hauptbahnhof, um mit dem Zug zum Büro nach Lübeck zu fahren.
Ich habe eine Dreiviertelstunde Fahrrad fahren in der frischen Luft des gerade angebrochenen Tages hinter mir und freue mich über meinen frisch zubereiteten Café Creme.
Forelle blau heißt es, mein Rad, und so wie eine Forelle durch den Bach flutscht, so flutsche ich damit leichträdrig durch die Stadt.
„Die Felgen in Orange?“, hatte mich der Inhaber des kleinen Fahrradladens gefragt. Irgendjemand hatte mich bei meiner Suche nach einem Single-Speed-Rad an ihn verwiesen. Ich überlegte nur ganz, ganz kurz und antwortete praktisch sofort: „Gern! Orangefarbene Felgen, klar!“
Orange und blau also. Eines strahlt das Rad bestimmt nicht aus: Langweiligkeit.
Langweiligkeit war für mich immer der Gegenpol zur Lebendigkeit. Wenn mein Leben eines nicht war, dann langweilig. Im Gegenteil, denke ich manchmal.
Ein wenig Langweiligkeit könnte zu mehr Langsamkeit führen, was mir durchaus gut tun würde. Das Bild vom ‘einen Gang runter schalten’ steht mir dann vor Augen.
Aber runter schalten tut man doch, wenn man wieder besser in Schwung kommen möchte. Der Schwung fehlt mir nicht, den habe ich. Vielleicht ein wenig zu viel Schwung manchmal, wenn ich mich in meinen Aktivitäten überschlage.
Ich brauche dafür nur ein paar Stunden Schlaf und einen Teil des Tages als durch mich selber bestimmte Zeit für die Dinge, die mir wirklich wichtig sind.
Um später sagen zu können, dass ich die Dinge alle angegangen bin, die für mich im Leben Bedeutung haben, die ich auf jeden Fall gemacht haben möchte.
Ich gehe hinaus zu meiner Forelle blau und lebe mein Leben in meiner eigenen Geschwindigkeit.
Meiner eigenen Single Speed.
Die mal schnell und mal langsam sein kann.
Je nachdem.
© Wolfgang Bremer 2024-03-05