Im Übrigen spricht mein Frauchen nicht nur Hund. Genau genommen könnte man sagen, ich bin multilingual aufgewachsen. Das ging im zarten Alter von drei Monaten schon los, als ich mit meinem Frauchen und ihrer Familie den ersten Urlaub in Italien verbrachte.
Italien. Viel Wasser – das ist ja nicht so mein Fall – aber diese Sprache, so melodisch und wohlklingend. Einfach wunderbar.
Meine ersten Berührungspunkte mit Einheimischen hatte ich, als mein Frauchen beim Essen war, ihre Eltern mal kurz nicht hinsahen und ich frisch, fromm, fröhlich, frei endlich die Hotelanlage erkunden konnte. Es war traumhaft. Ohne Halsband, ohne Leine, ohne Zweibeiner, den ich mit Gewalt und aller Manneskraft, Verzeihung, Hundekraft in die Richtung ziehen musste, in die ich wollte. Frei war ich, frei wie ein Vogel. Na ja, so viel Vogel, wie man als Hund eben sein kann. Jedenfalls war es großartig. Und, um zum Thema zurückzukehren, es war der Moment, als ich das erste Mal auf Italienisch angesprochen wurde.
„Che bello!“
Bello? Ja, das war ich. Ein waschechter Bello.
Heute weiß ich, dass sie mich „hübsch“ genannt hat. Denn es folgten weitere Aufenthalte in Italien und ich lernte dazu. Mein Frauchen auch. Meine wichtigsten Kommandos kann ich in Italienisch. Durch unsere vielen weiteren Reisen mittlerweile auch auf Englisch, Französisch und Spanisch. Denn wenn Frauchen einmal in ihrem Element und der anderen Sprache drin ist, ist es sinnlos auf ein deutsches Wort zu hoffen, ehe wir die heimatliche Landesgrenze wieder überquert haben. Mittlerweile hat sich noch Hindi in die Liste eingereiht. Und seit zwei Wochen bekomm ich übermäßig viel Chinesisch zu hören.
Zugegeben, anfangs war das etwas gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile finde ich das richtig klasse, andere Sprachen zu verstehen. Außerdem habe ich in jeder Sprache mittlerweile meinen eigenen Spitznamen. In Italienisch ist es bei Bello geblieben. Auf Englisch heiß ich immer beary-deary, also bäriger Schatz und auf Französisch werde ich stets mit Monsieur angesprochen. In Hindi bin ich ihr pyaara baccha, ihr süßes Baby. Und Chinesisch braucht noch etwas, aber da fällt ihr bestimmt auch noch was Schönes ein. Nur auf Spanisch gab es lange Zeit Verwirrung meinerseits. Ich meine, klar, Pandito, bedeutet Pandachen, aber irgendwann wurde daraus el gran Bandido. Ich habe mir das auf unserem letzten Ausflug nach Barcelona von einem einheimischen Kollegen übersetzen lassen. Seitdem kann sie lange warten, dass ich bei diesem Ausdruck noch einmal gelaufen komme. – Der große Bandit!? Ist das ihr Ernst?! Ich? Mit meinem sanftmütigen Wesen, den großen Kulleraugen und meiner Samtnase. Ich? Ein Bandit?!
Also entweder muss sie ihre Sprachkenntnisse mal wieder auffrischen oder wir beide reden das nächste Mal Tacheles. Ich bin vielleicht groß, ja. Aber ich bin kein, ich wiederhole, KEIN Bandit!
© Sonja M. Büttner 2023-01-24