MUSE

LA NISE

by LA NISE

Story
2017

Er trat in mein Leben wie eine Zigarette in einer flüchtigen Nacht: glimmend, gefährlich, wunderschön. Ich sah ihn zuerst in einer kleinen Bar, rot beleuchtet, halb weg, halb wach. Er trug ein Kleid aus schwarzem Samt, das seine schmale Taille umspielte, als wäre es nicht aus Stoff, sondern aus Schatten gemacht. Seine Lippen glänzten rot, seine Augen sagten nichts – und damit alles.

Muse, Muse meine wunderschöne Muse.

Ich dachte, ich erkenne ihn. Ich dachte, ich wüsste, was ich da sah: einen Jungen in der Haut einer Frau, der sich selbst befreite, indem er sich versteckte. Aber ich irrte mich. Er war nicht auf der Suche nach Freiheit.

Er war die Falle.

Sein Name war Marti, aber er ließ sich “Muse” nennen, wenn er tanzte. Ich fiel sofort. Nicht in Liebe – das kam später – sondern in Neugier, in Besessenheit. Er spielte mit mir wie mit seinen Fingern über den Rand eines Martini-Glases: lasziv, beiläufig, grausam. Ich durfte ihn küssen, aber nie halten. Ich durfte bei ihm schlafen, aber nie ankommen.

Er wollte nicht gerettet werden. Er wollte gesehen werden und sich gleichzeitig entziehen. Ich war sein Junge, aber nur im Spiegelbild seiner Fantasie: der brave Liebhaber, der wartet, während er auf High Heels durch fremde Betten stolziert. Ich war der, den er küsst, bevor er geht. Und ich blieb, wie man bei Schmerzen bleibt, die man kennt.

Einmal fragte ich ihn, warum er mich überhaupt will.

Er lächelte, schloss die Tür hinter sich, ließ das Kleid an und sagte:

„Weil du es brauchst, nicht ich.“

Ich liebte ihn. Ich hasste ihn. Ich blieb.

Weil er meine Muse war, die mich inspirierte und meine Muse die mich ruinierte.

Muse, meine wunderschöne Muse.

© LA NISE 2025-07-25

Genres
Biographies
Moods
Abenteuerlich, Dunkel