Musikalische Erinnerungen

Annemarie Hülber

by Annemarie Hülber

Story
2023

Von Zeit zu Zeit schwelge ich in Kindheitserinnerungen. Besonders zu Weihnachten passiert mir das. Und gestern habe ich auch noch ‘Weihnachten mit André Rieu’ gesehen. Das hat mich in die richtige Stimmung gebracht.

Ich mag diese Rieu-Konzerte. Vor allem die Stimmung. Das Publikum tanzt, singt, schunkelt, verdrückt ein Tränchen oder liegt einander in den Armen. Und, ehrlich, es gibt schon Ohrwürmer, die das Herz rühren. Obwohl es nicht meine Alltagsmusik ist, höre ich diese Opernarien, Operettenlieder und Schlager ganz gerne. Das war die Musik meiner Kindheit. Das haben meine Eltern gehört.

Unsere beliebteste Weihnachtsschallplatte in den 1960ern war ‘Weihnachten auf hoher See’ mit Freddy Quinn. Wir Alpenländler hatten Weihnachtsflair mit Hamburgfeeling. Das war schon was. Mein Papa war ein großer Freddy Quinn-Fan. Sein Lieblingslied war ‘so schön war die Zeit’. Da geht es um heißen Wüstensand, fern der Heimat, und Sehnsucht nach den Liebsten und den grünen Tälern der Heimat. Mein Papa war Jahrgang 1925, 1945 bei Kriegsende also 20 Jahre. Ich frage mich immer, was er Schlimmes erleben musste, dass das sein Lieblingslied war. Ich war leider zu jung, um ihn zu fragen. Ein weiteres Lieblingslied war ‘va pensiero’, der Gefangenenchor aus Nabucco. ‘Fliegt Gedanken’, ein Freiheitslied.

Das Lieblingslied vom Onkel Franz war ‘das Wolgalied’ aus der Operette Zarewitsch. ‘Hast du dort droben vergessen auf mich?’ Der Onkel gab es bei jeder Gelegenheit zum Besten. Er konnte ganz schön singen und traf auch die hohen Töne. Ansonsten standen Caterina Valente (komm ein bisschen mit nach Italien), Leila Negra (die süßesten Früchte), und Conny Frobes (Pack die Badehose ein) auf der damaligen Playlist.

Meine Mama war Peter Alexander-Fan. Die Queen Elisabeth, der Peter Alexander und meine Mama – alle Jahrgang 1926. Über die Queen und den Peter hat die Mama nie was kommen lassen, auf die war sie stolz. ‘im Prater blühen wieder die Bäume’, ‘das kleine Beisl’ oder ‘Ich zähle täglich meine Sorgen’. Ich konnte alle Lieder mitsingen. Aber auch ‘la Pastorella’ von Vico Torriani, oder ‘la Montanara’ hörte Mama gerne. Kennt noch jemand Vico Torriani? Oder die Sendung der goldene Schuss (bitte den Bolzen)?.

Natürlich haben mein Bruder und ich später gegen den Musikgeschmack unserer Eltern rebelliert. Aber wir waren nie Beatles- oder Stones-Fans. Meine erste Schallplatte war Adriano Celentanos ‘Azzurro’. Später Cat Stevens oder Leonhard Cohen. Aber ich muss zugeben: Open air, ein lauer Sommerabend, hunderte Menschen mit brennenden Feuerzeugen und die Schürzenjäger singen ‘Sierra Madre’ oder die Seer ‘wüd’s Wossa’ und ich bin hin und weg.

Das war jetzt schön, sich an die Musik meiner Eltern zu erinnern. Erinnerungen sind so wertvoll. Sie stimmen mich froh und glücklich. Traurig ist nur, wenn man keine Erinnerungen hat.

Frohe Weihnachten euch allen!

© Annemarie Hülber 2023-12-22

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