Muskelpakete oder Geschicklichkeit

Hedwig Kromer

by Hedwig Kromer

Story
Poysdorf, Niederösterreich

Freizeitgenießer treffen sich im Sommer gerne beim Poysdorfer Badeteich. Gratis Eintritt, ein kleines Restaurant, Minigolfanlage, Spielplatz, Haselnußlaube, Entenmama mit Küken, was braucht man mehr für einen schönen Ferientag?

An einem Samstag suchen mein Mann und ich ein Plätzchen im Halbschatten. Zum Glück gibt es zahlreiche große Pappeln und Weiden. Wir machen es uns gemütlich. Entspannt lasse ich meinen Blick über die zahlreichen Besucher gleiten. Da fällt mir eine kleine Gruppe ins Auge. Die Burschen und Mädchen werden so um die 17 Jahre alt sein und trainieren abwechselnd mit Hanteln und einigen seltsamen Geräten.

Soll ich? Soll ich nicht? Oder doch? Meinem Mann ist es egal, also sammle ich meinen ganzen Mut zusammen. Ich gehe zu dem Grüppchen hin und frage: “Wenn ihr schon so gut trainiert seid, hättet ihr nicht Lust, beim Heupinkerlschupfen zu helfen?” Es kommt die prompte Antwort: “Das ist zu gefährlich.” Da bin ich baff!

Ein paar Saisonen lang haben wir aus dem Nachbarort zwei Tonnen kleine Heupinkerl (ungefähr 10-12 kg) allerbester Qualität bekommen. Ausgezeichnet waren sie durch zartes Grün und einen herrlichen Duft. Einmal war der Sohn der Familie mitgekommen und hat im Schupfen Schlichten geholfen. In zirka 2,5 m Höhe war in dem Gebäude beidseitig ein Boden aus dicken Balken eingezogen. Die auf dem Traktorhänger liegenden Quader mussten dort hinaufgeschafft werden. Der Bub wird so um die neun Jahre alt gewesen sein. Ich bin vor Bewunderung restlos zerflossen. Mit welcher Geschicklichkeit er auf dem immer höher werdenden Heuberg herumgeklettert ist! Mit welcher Selbstverständlichkeit er die richtigen Schritte gesetzt hat! Er ist sich der Gefahr wohl bewusst, hat aber keine Angst. Offenbar hat der Bub das von der Pike auf gelernt und hingesehen, wie das gemacht wird. Von oben herunterzufallen bedeutet einen Sturz aus mindestens 6 m Höhe. Ich selber turne auch dort oben herum, aber langsam und vorsichtig. Das lebendige Vorbild habe ich eben nie gehabt.

Es gibt eine geschickte Technik, um die Pinkerl mit der Heugabel vom Erdboden auf den Anhänger beziehungsweise von dort auf den Heuboden zu befördern. Bei einem Gewicht von manchmal 12-15 kg lohnt es sich, die Heugabel gekonnt einsetzen zu können. So kann man die Arbeit kräfteschonender erledigen. Trotzdem kommt man ums Schwitzen nicht herum. Das ist auch der Grund, warum mich keine zehn Pferde in eine Sauna brächten. Will ich schwitzen, brauche ich nur an das Heu- oder Strohpinkerlschupfen zu denken.

Angenehm wäre es schon gewesen, wenn uns die muskelbepackten Jugendlichen bei der Arbeit geholfen hätten. Dass sie diese Tätigkeit für zu gefährlich halten…..


© Hedwig Kromer 2025-08-28

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