Als ich 1978 den Führerschein machte, meinte mein Fahrlehrer, ein typischer Macho, ich würde es nie schaffen. Er ließ es mich spüren, dass seiner Meinung nach die Frauen nichts auf der Straße zu suchen hatten. Daher brauchte ich viele Fahrstunden und rasselte zunächst durch die Fahrprüfung. Als ich den Führerschein dann endlich hatte, fuhr ich aus lauter Angst zwei Jahre lang nicht mehr.
Dann benötigte ich aber für meine neue Arbeitsstelle einen fahrbaren Untersatz. Mein Vater setzte sich zwei Wochen lang auf den Beifahrersitz, fuhr mit mir eine halbe Stunde zum Arbeitsplatz nach Fürstenfeldbruck und holte mich abends wieder ab. Er gab mir Tipps und erklärte mir Dinge, von denen ich vorher in der Fahrschule nichts gehört hatte. Nach zwei Wochen fuhr ich nach München.
Ein Jahr später reiste mein Freund und ich mit meinem Fiat 126, auch ‚bambino‘ genannt, nach Apulien in Süditalien. Wer das Auto kennt, weiß, dass es mit seinen 23 PS nur maximal 80 km/h fuhr – abwärts! Kein Wunder also, dass wir 30 Stunden unterwegs waren! Als ich in Lecce ankam, sah ich das erste Mal in meinem Leben einen Kreisverkehr. Was für ein Gewusel! Ich war so erschöpft, dass ich mitten im Kreisel stehen blieb und nicht mehr weiterfuhr. Mein entsetzter Freund redete mir aufgeregt zu, doch weiterzufahren. Er hatte gut reden, er hatte ja keinen Führerschein und konnte sich nicht vorstellen, wie anstrengend diese Fahrt für mich gewesen war.
Ich nahm mein Autschgerl 1985 mit nach Rom, wo ich zwei Jahre lebte, und fuhr schon nach kürzester Zeit wie die Römer: rote Ampel, nur was für Weicheier.
Meinem ehemaligen Fahrlehrer würde ich gerne einmal sagen, dass ich in über vierzig Jahren nie einen Unfall verursacht habe. Gleich auf Holz klopfen! Und das bei sage und schreibe 500.000 Kilometern, die ich in etwa gefahren bin.
Aber eines muss ich zugeben: Mit meinem Fiat 500 Cabrio fahre ich nicht mehr gerne auf Autobahnen. Mein Auto wird von den anderen Verkehrsteilnehmern unterschätzt und wenn ich mal schneller als 140 km/h fahre, bremst mich garantiert einer aus!
© Irene Hülsermann 2021-02-05