by Andrea Weiss
Erinnerungen …
New York ist langweilig, ein riesiges NICHTS, meinte mein damaliger Chef. Als ich ihm von unserem Plan erzählte, die erste Woche unseres USA-Urlaubs in New York zu verbringen, verdrehte er mitleidig die Augen. Wir würden es bereuen, meinte er.
New York, wir kommen!
Vom Flughafen zu unserem Hotel mitten in Manhattan brachte uns natürlich eines der legendären Yellow Cabs, gelenkt von einem kleinen, zierlichen Mann mit dunkler Haut. Er begrüßte uns wortreich wie alte Freunde und brauste los. Nach einer atemberaubenden Fahrt, zuerst über vielspurige Autobahnen, schließlich über die imposante Brooklyn Bridge, tauchten wir ein in die Häuserschluchten von Manhattan. Obwohl ich darauf vorbereitet war, verschlug mir der Anblick die Sprache! Für die Geräuschkulisse im Taxi sorgte der Fahrer, indem er alle paar Minuten das Funkgerät aus seiner Verankerung riss, „Heeyyyy Sunnyyyy“ hineinbrüllte, schallend lachte und das Gerät wieder für ein paar Minuten zurücksteckte.
Im Hotel angekommen war ich todmüde, aber zu aufgewühlt zum Schlafen – es war unglaublich, wir waren HIER! Aus dem 18. Stock wurde ich Zeuge endloser Kolonnen der gelben Taxis, die das Stadtbild zu jeder Tageszeit prägen und dazu beitragen, dass die Stadt niemals schläft.
Um es vorwegzunehmen: es war keine Minute langweilig, die Eindrücke waren so vielfältig, dass wir nach unserer Heimkehr lang brauchten, um alles zu verarbeiten. Wir sahen all die Sehenswürdigkeiten, die wir von Bildern kannten, gingen im Central Park den dreimannhohen Maschendrahtzaun entlang, der in so vielen Filmen eine Rolle spielt, saugten die Bilder ebenso auf wie die Begegnungen.
Die Straßen pulsierten von Menschen aller Nationalitäten und Hautfarben und ganz offensichtlich aller sozialen Schichten, vom Wall Street Banker bis zum Obdachlosen. Von den Business Ladys, die zu ihrem Kostümchen am Weg zur Arbeit Sportschuhe an den Füßen und high heels in der Hand trugen, bis zu sanft swingenden Rasta-Frauen. Auf den Bänken vor dem World Trade Center, dessen beide Türme 1989 noch beinahe 415 Meter hoch in den Himmel ragten, saßen Männer in ihren Business-Anzügen in der Mittagssonne und verzehrten ihr Essen mit Stäbchen aus einer Styroporbox – ein Anblick, der damals ausschließlich mit den USA in Verbindung zu bringen war und bei uns praktisch undenkbar schien.
Die Kellnerin in einem kleinen italienischen Restaurant – eines der wenigen erschwinglichen in Manhattan – begrüßte uns, so wie der Taxifahrer und viele Andere, mit denen wir zu tun hatten, wie alte Freunde und lobte uns überschwänglich für die Auswahl unserer Gerichte. Was sie uns servierte, war nicht ganz so great, machte aber satt.
Natürlich hatten wir als Vorbereitung auf unsere Reise einiges gelesen und erfragt, dabei unendlich viele, absolut widersprüchliche Klischees gehört, wie „die Amerikaner“ sein sollten. Wir fanden sie ALLE erfüllt – so bunt und vielfältig wie Menschen eben sind.
© Andrea Weiss 2021-01-23