Nicht ganz in Szene gesetzt

Giggu

by Giggu

Story

Ein sonniger Tag in einem groĂźen Zaubergarten vor ĂĽber fĂĽnfzig Jahren. Drei unverheiratete Paare und eine neue Eumig Super 8-Schmalfilmkamera, noch ohne Ton, versteht sich. Hier sollte ein Kurzfilm entstehen, dass Chabrol mit seiner “nouvelle vague” einpacken kann! Yes! Unser Drehbuch war schräg und extravagant – im Grunde gab es nicht wirklich eine Handlung, eher eine Szenenabfolge – einfach genial. (Anmerkung: Aus heutiger Sicht wĂĽrde ich meinen, dass es nur reines Chaos war). Selbstverständlich musste auch nach dem Szenenwechsel ein KostĂĽmwechsel folgen, weil wir mehrere Personen zu spielen hatten. Sprechrollen waren fĂĽr unseren Stummfilm nicht zu lernen. Umso mehr war es notwendig, uns optisch fĂĽr unser Kunstwerk in Szene zu setzen. Damals noch schlank und rank, verrenkten wir uns auf Ă„sten, blickten verschlagen aus Verschlägen, zĂĽndeten uns Zigaretten an, bliesen den Rauch in die Kamera – die Burschen verrucht lässig, wir Mädels verrucht (versucht) sexy. Dazwischen mussten wir vor lauter Lachen pausieren. Der Nachmittag verging zu schnell. Durch das viele Umkleiden auch stressig. Eine letzte Szene sollte noch mit der Kamera festgehalten werden. Der absolute Höhepunkt unserer ausgefeilten Dramaturgie! (Anmerkung: Aus heutiger Sicht wĂĽrde ich uns als leicht verhaltensauffällig bezeichnen). Letzter Take. FĂĽnf “Schauspieler” hingen an der Dachrinne des ebenerdigen Gartenhauses. Was fĂĽr eine gelungene Idee! GroĂźartig! (Anmerkung: Aus heutiger Sicht wĂĽrde ich lediglich die Haltbarkeit der Dachrinne groĂźartig finden!)

Die Sonne war im Begriff unterzugehen, im Garten wurde es schon etwas kühl. Wir sammelten unsere herumliegenden Utensilien ein, um es uns im Gartenhaus gemütlich zu machen. Wir zähmten unsere Neugierde. Vorfreude ist ja angeblich die schönste Freude. So einigten wir uns auf einen Termin für die Filmvorführung. Der Film musste erst zur Entwicklung gebracht werden, diese würde ein paar Tage in Anspruch nehmen. Martin nahm seine Super8-Kamera voll Besitzerstolz in die Hand, öffnete den Verschluss, um die Filmspule zu entnehmen und … (ihr ahnt es schon?) … der reinste, unbrauchbare Filmsalat! Die Enttäuschung war nur von kurzer Dauer, bereitete uns doch der Nachmittag einen Riesenspaß. Und es war uns auch bewusst, dass unser … äh …Film alles andere als oscarverdächtig geworden wäre. (Anmerkung aus heutiger Sicht: Wenn unsere Film-Crew beim Seniorentreffen zusammen kommt, wird dieser Nachmittag immer wieder mit einem Schmunzeln aufgewärmt).

Sechs Menschen hatten die Idee / ein MONSTERwerk zu schaffen

bei Kuchen, Keks und grĂĽnem Tee / beschloss man, es zu straffen

so wurden voller Fantasie / die Szenen grob fixiert

mit Kleidung nach: “le dernier cri” / schwarz-weiß und nicht verziert

beim Take gelacht, die Eumig wackelt / zu spät, dass ich´s bemerk

es wurd´ nicht lang herumgefackelt / es hieß: Der Wille geht vor´s Werk!

© Giggu 2023-03-17

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