Freitag, 8. November
Heute erschlug ich in der Küche eine Wespe und eine Motte. Beide waren einfach zu dämlich für diese Welt und fanden in der sehr kleinen Küche wirklich nicht durch das wandgroße Fenster hinaus. Ich habe zehn Minuten lang sehr gute Ratschläge zum Flugziel gegeben, aber beide konnten es einfach nicht umsetzen – daher erschlug ich sie beide, hintereinander.
Meine Oma sagte immer: »Man darf in dieser Welt nicht dumm sein!« Und weil ich das auch nicht bin, habe ich die Wespe natürlich nicht mit der Hand erschlagen – das wäre nämlich sehr, sehr dumm – sondern mit dem Fuß.
Meine Oma hat leider nie erzählt, was mit den Dummen auf dieser Welt passiert. Daher bin ich mir sicher: Uns wird es auch irgendwie gut gehen. Ich kühle jetzt erst mal meinen Fuß.
Und zu meiner Verteidigung: Die wären in der Natur sowieso gestorben – so flugunsicher, wie die beiden waren. Ich segnete sogar ihre letzte Ruhestätte – meinen Restmülleimer:
»Mögen die nächsten Insekten orientierter sein und nicht erst durchs Fenster hereinfliegen. – Amen.«
Montag, 18. November
Ich war heute bei meinem Therapeuten. Ich soll mich mit Achtsamkeit auseinandersetzen, und er gab mir drei Fachtexte mit. Hallo? Wer gibt einem bitteschön Fachtexte mit? Was stimmt nicht mit ihm? Ich habe wirklich den Mist gelesen, und schlussendlich kann ich nur eins sagen:
»FICK DICH, ACHTSAMKEIT!« Als ob ich so viel Ruhe in mir finden möchte! Das ist doch alles Bullshit! Als ob ich aus Mücken einen Elefanten kochen könnte! Das kann und will ich nicht. Das Einzige, auf das ich im Alltag »achten« kann, ist der hohe Pegel am Abend – durch einige Spritzer intus.
Notiz an mich: Demnächst beim Therapeuten über Wutausbrüche sprechen – und mir definitiv keine Fachtexte mehr von Fremden andrehen lassen.
Donnerstag, 21. November
Heute habe ich meine Nasenhaare beim Anzünden einer Tschick gleich mit entfernt. Ich spare mir die nächsten sechs Monate diese Art der Rasur. Eine klassische »Wien-Wien«-Situation.
Am Abend versammelte sich meine ganze 3er WG zum ersten gemeinsamen Trinken im Herbst. Und weil ein Mitbewohner erst 19 ist, nenne ich es liebevoll »betreutes Trinken«. Natürlich nur mit Wasser! Als die gemeinschaftliche Müdigkeit nicht mehr zu leugnen war, machten wir eine letzte kleine Technoparty im Badezimmer – mit integrierter Zahnpflege. Danach fiel jeder in sein eigenes Bett. Nur ich verfehlte meins beim ersten Sprung in die Dunkelheit. Der zweite Versuch – mit weniger Schwung, aber mehr Umdrehung – klappte glücklicherweise.
© Tom-Theodor Handrick 2025-05-09