Omas Liebe

Stella Delune

by Stella Delune

Story

Es war Dienstag, um 14.30 Uhr als ich zu Besuch bei Oma war. Wir nahmen zum Kaffee und Kuchen im Wohnzimmer platz. Oma meinte mal, dass dies damals immer die Lieblingszeit von Opa war. Ich wusste das sie ihn sehr vermisste, denn in letzter Zeit redete sie viel von ihm. Opa war bald schon vier Jahre tot, doch ich erinnere mich noch genau an die schlimme Zeit, als Opa von uns ging.

Wir befanden uns damals mitten in der Coronakrise, als Opa und Oma in ein Heim verlegt worden waren. Aufgrund eines gebrochenen Beines konnte Oma sich nämlich nicht mehr um meinen leicht dementen Opa kümmern, geschweige denn um sich selbst. So sollten die beiden bis zur vollen Genesung von Oma, im Pflegeheim wohnen. Da ich selbst in dieser Zeit im Krankenhaus arbeitete, war es für mich nicht möglich, mich um die Beiden zu kümmern. Doch ich wusste das Oma, Opa nie allein gelassen hätte, weswegen dies die beste Lösung darstellte. Die Beiden gingen durch dick und dünn, was auch die Demenzerkrankung von Opa, daran nichts änderte. Eines Tages, als Oma dann jedoch zur Kontrolle des Beines ins Krankenhaus musste, erkrankte sie dort an Corona und sollte für ganze vierzehn Tage im Krankenhaus in Quarantäne bleiben. Aus Coronaschutzgründen durften wir weder Opa noch Oma besuchen. Doch telefonisch erfuhr ich von Opas Pflegern, dass er in dieser Zeit geistig stark abbaute und immer wieder gesundheitliche Probleme hatte. Heute vermute ich einfach, dass sie uns und vor allem Oma besonders vermisste, was zu einem Demenzschub führte. Schon bald darauf verschlimmerte sich ihr Gesundheitszustand dermaßen, dass auch Opa ins Krankenhaus kam. Keine ganzen 24 Stunden darauf, wurde Oma jedoch wieder aus dem Krankenhaus entlassen und zurückverlegt. Dies alles ging so schnell, dass weder Oma noch wir davon richtig mitbekamen. Als Oma von Opas Verlegung erfuhr, wollte sie natürlich gleich mit ihm telefonieren, denn sie hatte ihn schon schmerzlich vermisst. Doch durch ihren schlechten Zustand war nicht einmal dies möglich. Ich war entsetzt, als ich ein paar Tage später mit Oma telefonierte. Ich hörte sie schniefen und weinen, und konnte sie anfangs nicht einmal verstehen. Unter Murmeln und Räuspern verstand ich dann nach unerträglichen Minuten die Worte, die sich bei mir bis heute einbrannten „Opa ist tot!“. Ich war entsetzt und konnte erst gar nicht glauben, was er da gesagt hatte. Und als ich dann selbst den Tränen nah war, und versuchte gegen den dicken Klos in meinem Hals anzukämpfen realisierte ich, dass ich Oma, aufgrund der immer noch anhaltenden Quarantäne auflagen, nur telefonisch Trost spenden konnte. Was mich bis heute aber am meisten beschäftigt ist, dass Oma nicht einmal zur Beerdigung kommen durfte.

Als wir die letzten Bissen des Kuchens und die letzten Schlucke des Kaffees zu uns nahmen, fragte Oma mich „Bereit?“ und ich sagte „Ja, wir können los“. Dan zogen wir unsere Mäntel an und machten uns auf den Weg zum Friedhof. Denn wie jede Woche besuchten wir Opas Grab zusammen. Seit Corona nämlich wieder vorbei ist, lassen wir uns das nicht mehr nehmen, treffen uns einmal die Woche am Nachmittag, und bringen Opa ein Stück Kuchen mit ans Grab.


© Stella Delune 2024-07-08

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Traurig, Sad
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