Opa

Stefanie Kalss

by Stefanie Kalss

Story

Du lachst. Glücklich und zufrieden. Trägst deine geliebte Tracht und den grünen Hut. Stolz, erhaben stehst du da. Mit deinem Stock. Das Zusammenspiel zwischen See und Berg. Im Hintergrund. Dieses Bild ziert den „Herrgottswinkel“ in der Stube. Wackelig steht es da. Zerbrechlich. So wie du in deinen letzten Wochen. Stiller wurde es um dich. Einer Kerzenflamme gleich. Sanft züngelnd. Ein kläglicher Schein. Ein Windhauch. Dein Lebensgeist erlosch.

„Tschüss Opa“ das waren meine Worte. Es waren die Letzten. An einem Montagnachmittag im Jänner. Wollte es nicht wahrhaben, aber es war trotzdem da. Ein Gefühl. Eine Vorahnung. Wir sind gefahren, Mutter und ich. Es waren Weihnachtsferien. Ich habe sie bei ihr verbracht. Der unbeirrbare Rhythmus der Zeit. Dienstag. Im Halbschlaf höre ich ihre Stimme. Sie telefoniert. Es geht dir schlechter. Wir machen uns auf den Weg. Quälend, viel länger als sonst. Die Fahrt zieht sich. Die Gedanken kreisen. Bekannte Landschaften ziehen fremdartig vorbei. Wir kommen an. Irgendwann.

Es ist zu spät. Du liegst auf dem Diwan. Versöhnlich. Friedlich. Die Augen geschlossen, die Hände gefaltet. Du schläfst. Aus dieser Rast wirst du nicht mehr aufwachen.

Opa du hast sie verlassen. Unsere Wirklichkeit. Weiß nicht wo du jetzt bist und weiß nicht, ob du in meinem Leben je warst. Im Reden schlecht, im Schweigen gut. Hätte ich die Stille zwischen uns füllen sollen? Zu Erzählen gabs nicht viel. Gleichförmig, beständig trieb das Leben dahin. Habe ich die kleinen Geschehnisse übersehen? Ich weiß es nicht. Der Tod. Eine Erinnerung. Ein Weckruf an das Leben. Ein Alarm. Schrill. Notwendig. „Lebe“ ist seine Botschaft. Opa, du hast mich verlassen. Es ist so anders, seit du nicht mehr da bist. Könnte die Ruhe füllen. Stundenlang. Habe dir so viel zu erzählen. So viel ist passiert. Du hast gewechselt. In den anderen Raum. Konntest mich nicht behüten. Zu Lebzeiten. Mit pochendem Herzen.

Plötzlich war alles anders. Das Leben hat mich eingeholt. Rasend schnell. Ich war bereit. Wusste, dass du da bist. Bedingungslos. In den zerrissenen Momenten. Den Augenblicken, die die Ewigkeit bedeuten. Hast Menschen gesendet. Vortreffliche. Miserable. Mir Aufgaben gestellt. Prüfungen abgenommen. Hast oft geschmunzelt. Den Kopf geschüttelt. Bist immer in der ersten Reihe. Tragisch-komisch, melancholisch. Himmelhochjauchzend. Die Aufführung des Lebens. Das Leben, das begonnen hat als deines ein Ende fand.

© Stefanie Kalss 2021-06-26

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