Opa & Lux -eine Trilogie 1-

Erich Stöger

by Erich Stöger

Story
Wien – Krems 2024

Wien – Krems

Die letzte Jännerwoche ist bereits angebrochen. Ich habe Lux seit Weihnachten nicht mehr gesehen. Einkäufe sind getätigt, Speiseplan existiert, Ausflüge geplant. Die Freude in mir macht sich breit. Um die Zeit bis zur Kindergartenabholung zu nützen, besuche ich einen langjährigen Freund. Bei einem netten und ausgiebigen Frühstück vergeht die Zeit allerdings schnell. Im Kindergarten angekommen, wird mir heiß. Einerseits, weil für meine Bekleidung eine zu hohe Temperatur herrscht und zweitens, weil mir Lux viele von seinen Bastel- und Malarbeiten zeigt. Ich habe das Gefühl, er freut sich über unser Wiedersehen genauso wie ich. Da Papa zwischen Homeoffice und Auswärtstermin noch etwas Zeit hat, erstatten wir ihm einen kurzen Besuch. Auf dem Weg dorthin sprudeln aus Lux Geschichten und Erlebnisse heraus, dass er in einen immer schnelleren Redefluss verfällt. Bei Papa angekommen, möchte er mir so vieles zeigen, dass ich mit meinem Sohn nicht sehr viel reden kann. Er macht ihm ein Essen, damit kein Hungergefühl während der Zugfahrt aufkommt. Es dürfte ein folgenschwerer Fehler gewesen sein. Auf dem Weg zum Bahnhof beginnt Lux über Bauchschmerzen zu klagen. Sein Schmerz wird stärker und unerträglich. Es kommt leichte Panik in mir auf. Was tun? Zurück in die leere Wohnung? Ich weiß ja nicht mal wo es die nächste Apotheke oder den nächsten Arzt gibt. Ich verspreche Lux in Krems sofort eine Apotheke aufzusuchen und bitte ihn durchzuhalten. In der Schnellbahn werden die Klagen über seine Bauchschmerzen auch für mich unerträglich. Und dann passiert es. Er erbricht. Nicht allzu viel, nur Rucksack und der Sitzplatz sind betroffen. Einige Frauen reichen mir hilfreich Papiertaschentücher und ich behebe den Schaden. Lux steht jammernd halb ans Wagonfenster und halb an mich gelehnt da und wimmert vor Schmerz. Es ist mir bewusst, der Höhepunkt steht uns, oder besser ihm, noch bevor! Wir erreichen Heiligenstadt. Beim Bahnsteigwechsel steigt aufgrund seiner Schmerzen auch meine Panik. Die Anzeigetafel gibt uns noch achtzehn Minuten. Runter zum Kiosk, Papierservietten hamstern. Ich will sie bezahlen, sie werden mir geschenkt. Ein stilles Wasser gekauft, geht’s wieder rauf zum Bahnsteig. Seine Schmerzen erreichen den Höhepunkt. Darauf vorbereitet, beuge ich seine Oberkörper nach vorne und das Finale beginnt. Meine eigene Panik ist wie weggewischt. Ich bin konzentriert und fokussiert auf das Geschehen. Die Umwelt mit all den Menschen existiert plötzlich nicht. Es gibt nur uns zwei! Lass alles raus, sage ich zu Lux. Und er tut es. Welch Erleichterung für uns beide! Er ist extrem schwach und schläft an mich gelehnt fast ein. Ein Schluck Wasser, er spricht ein paar unverständliche Worte während ich das Erbrochene mit den Papierservietten so gut wie möglich entsorge. Auf der Weiterfahrt steht er zu Beginn wieder ans Fenster gelehnt und von mir gehalten und ich stelle fest, dass es ihm wesentlich besser geht. Ich fühle, dass es überstanden ist. Auf dem Weg vom Bahnhof zur Wohnung sagt er: Opa, wir müssen keine Apotheke suchen. Es wurde doch noch ein zufriedener Abend und beim Einschlafen, eng aneinander gekuschelt, haben wir die von ihm verlangte Geschichte nicht mehr zu Ende gebracht.


© Erich Stöger 2024-01-27

Genres
Novels & Stories
Moods
Herausfordernd, Emotional, Hoffnungsvoll
Hashtags