Pensionsschock

Raimund Keinrath

by Raimund Keinrath

Story
Ă–sterreich 2024

Pension – Tag 2

Wie ĂĽblich, wanke ich heute Morgen – noch schlaftrunken – zum Laptop, starte, gebe das Passwort ein. Zunächst alles gut, keine Auffälligkeiten. Ich warte, wie gewohnt, wische dann ganz beiläufig ĂĽber den Bildschirm, wie sonst auch immer … und: nichts! Es passiert nichts! Ăśberhaupt nichts! Verdammt, das Ding wird doch nicht ĂĽber Nacht den Geist aufgegeben haben? Nochmals wische ich. Schon hastiger. Nervös, mit flehenden Blicken! Aber … wieder nix! Oh mein Gott, erst jetzt dämmert es mir: Der Touchscreen ist Vergangenheit! Genau wie meine Tätigkeit im AuĂźendienst. Genau wie die letzten 45 Jahre und 5 Monate. Mein Job – nur noch Geschichte! Neue Zeiten sind angebrochen. Wischlose Zeiten sozusagen. 

Das wird hart. Vielleicht sollte ich mir bei nächster Gelegenheit doch lieber ein neues Gerät gönnen? → Mal sehen …


Pension – Tag 3

Ich fahre erschrocken im Bett hoch.

Sch … -ade – der Wecker hat nicht geläutet! Mir läuft es gleichzeitig heiĂź und kalt ĂĽber den RĂĽcken. Bestimmt hab ich endlos verschlafen – und wenn ich ausgerechnet heute zur Zulassungsstelle muss, um einen PKW fĂĽr einen Kunden/eine Kundin anzumelden, verschieben sich sämtliche Folgetermine! 

Wie peinlich ist das denn? Wahrscheinlich muss ich gleich bei mehreren Kund:innen telefonisch Abbitte leisten … Genervt schwinge ich mich hoch. Versuche es zumindest. Jedoch … mein RĂĽcken knirscht unnachsichtig und fĂĽhlt sich dabei an wie ein Fremdkörper. Ich stöhne und atme tief ein und aus. Dann trample ich ins Bad. Wohl doch etwas zu laut.

Meine Kleine richtet sich auf, reibt sich verschlafen die Augen. “Wo willst du denn hin?”, fragt sie erstaunt. “Es ist Sonntag. AuĂźerdem, was soll das? Du bist doch jetzt in Pension! Komm endlich zurĂĽck ins Bett und schlaf noch eine Runde; es ist viel zu frĂĽh, um schon aufzustehen!”

Ich erstarre zur Salzsäule. Meinen dämlichen Gesichtsausdruck will ich mir gar nicht erst vorstellen! Meine GĂĽte, sie hat ja vollkommen recht. Ich kann gar nicht anders, insgeheim muss ich es zugeben. Aber ich sag` erstmal nichts. Muss die beunruhigende Botschaft zunächst in mein fiebriges Bewusstsein einsickern lassen!  Sekundenlang steh’ ich ratlos da. Dann, als ich das Ganze leidlich begriffen habe, zucke ich hilflos mit den Achseln. “Na ja, wenn ich schon mal auf bin, dann kann ich auch gleich zum Kachelofen gehen und einheizen, damit wir ‘s schön warm haben. Und vielleicht wandere ich anschlieĂźend runter zum neuen Biberdamm an unserm Bach und schau nach, wie weit der schon gediehen ist … Sie verdreht bloĂź die Augen, rollt sich wieder ein und murmelt: “Dir ist nicht mehr zu helfen …” 

Betroffen wende ich mich ab. Ich wette, sie hat zu hundert Prozent recht. Aber irgendwann werd’ ich ‘s schon checken! Hoffentlich …!

© Raimund Keinrath 2025-02-21

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch
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