Phy. Erwartungshaltung vs. akust. Realität

Saschus-Longus

by Saschus-Longus

Story

Ich erinnere mich im Großen und Ganzen gerne an meine dreizehnjährige Schulzeit zurück, die ich letztendlich ohne unnötige Recalls absolvieren konnte. In jeder Klasse gibt es die verschiedensten Archetypen von Schülern: der klassische Durchschnittsschüler, des Lehrers Liebling, der Ich-mogel-mich-mal-durch, die Besten, die Beliebten, die weniger Beliebten, den Klassenclown – und verschiedene Mischungen dieser Archetypen. Eines kann ich mit Sicherheit sagen: der Klassenclown bin ich nicht gewesen.

Ich weiß jetzt nicht mehr, ob es in der zwölften und dreizehnten Klasse gewesen sein mag – der Leser mag mir diese Unschärfe im Rückblick nach nunmehr nahezu zwanzig Jahren verzeihen. Es war auf jeden Fall in meinem Leistungskurs Physik gewesen. Zusammen mit dreizehn Mitschüler und -schülerinnen saß man mehrmals die Woche zusammen im Physikraum und war freudig darauf gespannt zu sehen, welche Experimente nur mit einer sehr großen Messtoleranz als erfolgreich zu werten seien. Wir hatten einen Dozenten, der auch menschlich nahbar gewesen ist, und mit dem man ab-und-zu über ICQ über alles Mögliche schreiben konnte. Damals saß ich in der ersten von zwei Reihen. Wer zu meiner Rechten saß, kann ich nun unmöglich rekapitulieren, aber zu meiner Linken saß Axel (einige Namen könnten geändert sein). Wie alle anderen des Kurses war Axel auch mit mir zusammen im Mathe-Leistungskurs – und er war berüchtigt für seine Scherze und Sprüche, was teilweise auch seiner hier und da durchkommenden Verpeiltheit zuzuschreiben war. Die Rolle des Klassenclowns wusste er auf jeden Fall gebührend zu füllen. Nach einem mehr oder weniger erfolgreichen Experiment war die Beteiligung von uns vierzehn an der anschließenden Besprechung nicht ganz so rege, wie Herr Gatz es sich vorgestellt hatte. Es lag daran, dass wir es als Gesamtheit versäumt hatten, uns ordentlich auf die Stunde vorzubereiten und als Hausaufgabe die theoretischen Hintergründe im teuren geliehenen Lehrbuch zu lesen. In seiner leichten Frustration beendete Herr Gatz als die gemeinsame Diskussion und ordnete an, die entsprechenden Stellen im Lehrbuch als Stillarbeit zu erarbeiten. Axel hatte den Auftrag nicht ganz mitbekommen, bemerkte aber die eintretende Stille. Da er nun nicht wusste, was er tun sollte, fragte er mich: “Was soll ich machen?”, worauf ich wahrheitsgemäß antwortete: “Du sollst Kapitel 12, Absatz 1-4 lesen”. “Laut?”, kam die anschließende Frage. Ich gebe es zu, mich in diesem Moment nicht beherrschen zu können. Innerlich freute ich mich darüber, diese Gelegenheit, den Klassenclown als Clown dastehen zu lassen, beim Schopfe packen zu können: es folgte ein knappes “Ja…”

Eine laute Stimme durchbrach die Stille im Raum. Axel las vor. Ein verwunderter Herr Gatz wandte seinen Blick, den er nach draußen hat schweifen lassen, auf den hingebungsvoll lesenden Schüler, neben dem ein grinsender, sonst doch so braver Mitschüler saß. Alle mussten lachen, auch wenn ich mir Brutus gleich anhören konnte: “Sascha, nein sowas hätte ich nicht von dir erwartet.”

© Saschus-Longus 2025-04-17

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch
Hashtags