Picknick im Kinderzimmer

Kera Rachel Cook

by Kera Rachel Cook

Story

Wir sitzen im Kreis um unser Essen herum. Zwischen uns auf dem orangenen Boden stehen die veganen Käsewürstchen, der Hirtensalat und die Knoblauch-Baguettes, die Papa für uns zubereitet hat. Du trinkst einen großen Schluck von deiner Hafermilch und setzt dich dann auf meinen Schoß.

Stolz zeigst du mir die Sterne an der Decke und dein Traktor-Cabrio – oder auch Bett, je nachdem, wer es betrachtet. Du erzählst mir, dass du jetzt dein ganz eigenes Zimmer hast und wie fleißig du heute mitgeholfen hast, es einzuräumen.

Alle haben sie mitgeholfen, dein Zimmer herzurichten. Die große Couch auseinanderzubauen, die noch heute Morgen dort gestanden hat, wo nun dein Traktor-Cabrio steht. Fast vier Jahre ist es jetzt her, dass wir die Couch die schmale Treppe hoch in dieses Zimmer getragen haben.

Damals war dieses Zimmer noch Mamas und Papas Wohnzimmer und manchmal auch das Gästezimmer. Zu dieser Zeit wussten wir noch nichts von dir. Zu dieser Zeit warst du noch nicht mal ein Flüstern auf dieser Erde. Hast wahrscheinlich gerade oben auf deiner Schäfchenwolke gesessen und gewartet, bis wir bereit für dich waren.

Heute Abend erinnert nichts mehr an dieses Wohnzimmer / Gästezimmer. Die Couch ist weg und mit ihr der Couch-Tisch. Aber wer braucht auch schon einen Couch-Tisch, wenn er keine Couch mehr hat? Der Fernseher ist Geschichte, die Anlage und auch die vielen schönen Flaschen, die Papa über die vier Jahre hinweg gesammelt hat.

Stattdessen ist das Regal nun gefüllt mit Spielsachen, Buntstiften und Büchern, mit kleinen Hosen, Pullis und Bodies, mit Windeln, Feuchttüchern und Wickelunterlagen. An der Wand über deinem kleinen Tisch hängen Bilder von Tierbabys und lächeln auf uns herab. Dein Traktor-Cabrio ist bevölkert mit Kuscheltieren und wartet nur auf dich und deine erste Nacht in deinem ganz eigenen Zimmer.

Wenn ich daran denke, dass du mit deinen noch nicht mal ganz zweieinhalb Jahren ab sofort in deinem eigenen Zimmer schlafen wirst, macht mich das traurig, furchtbar stolz und dankbar zugleich. Traurig, weil es mir fehlen wird, dass du nachts aus deinem Beistellbett zu uns ins große Bett krabbelst, um dich an mich zu kuscheln. Furchtbar stolz, weil du immer selbstständiger und unabhängiger wirst.

Und dankbar dafür, wie wir uns mit unserem Leben weiterentwickeln. In solchen Momenten bin ich immer wieder aufs Neue überrascht, wie alles beständig schöner wird, obwohl man noch vor Kurzem geglaubt hat, es könnte gar nicht mehr schöner werden.

Aber dann kommt das Leben um die Ecke und setzt noch eins oben drauf.

(August 2022)

© Kera Rachel Cook 2022-08-30

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