Polly hat eine Oma mit einem komischen Namen: Oma Memoria oder kurz Oma Memo. Die Oma hatte nicht nur einen besonderen Namen, sie hatte auch eine spannende Kommode; ein Möbelstück mit ganz vielen Schubladen. Das ganze Leben der Oma Memoria war in diesen Schubladen. Nein, das bedeutet nicht, dass die Oma in der Kommode gewohnt hat oder, dass da ihre Socken und ihre Schlüpfer drin waren. In den Schubladen waren die Fotoalben und Erinnerungsstücke von dem langen Leben, dass die Oma schon geführt hatte. Denn Oma hatte schon 70 Jahre lang viele Abenteuer erlebt. Polly und ihre Eltern besuchten die Oma regelmäßig. Polly übernachtete auch gerne bei Oma Memo. Vor dem zu Bett gehen durfte sich Polly immer eine Schublade aussuchen. Dann nahm Oma Memo, einen ganzen Stapel Papier aus der Schublade und zeigte Polly die Fotos und Briefe und alles sah ganz alt und vergilbt aus. Eine von Pollys Lieblingsschubladen war die dritte von links oben. Als Polly das erste Mal hineingeschaut hatte, sah sie nur rot-violetten Stoff. Oma Memo hatte dann alles herausgeholt und es stellte sich heraus, dass der Stoff ein Kleid war. Polly durfte das Kleid jedes Mal überziehen, wenn sie sich diese Schublade aussuchte. Die Oma zeigte ihr dann die Kinderfotos aus der Schublade und erzählte: „Als ich klein war, bekam ich zum Geburtstag ein schönes neues weißes Kleid geschenkt. Sowas war nicht billig. Ich sollte das Kleid immer nur sonntags für die Kirche anziehen und dann auch gleich wieder ausziehen, wenn es zum Mittagessen ging, damit es nicht dreckig wird. Aber an einem Sonntag, einen Monat nachdem ich das Kleid bekommen hatte, sah ich Kirschen in der Küche stehen. Ich hatte das Kleid noch an und naschte Kirschen, da passierte es.“ Hier machte die Oma beim Erzählen jedes Mal ein ganz erschrockenes Gesicht. „Ganz viele Kirschflecken auf dem weißen Kleid. Ich hatte natürlich sofort ein schlechtes Gewissen. Was würde meine Mama sagen, dass ich das Kleid dreckig gemacht hatte. Mein erster Gedanke war, ich muss das Kleid verstecken. Also zog ich mich um und tat so als wäre nichts. Erst am nächsten Samstagabend, als meine Mutti die Sachen für Sonntag zum Anziehen raussuchte, fragte sie, wo denn das weiße Kleid sei. Ich fing an zu weinen und erzählte ihr was passiert war. Aber zu meinem Erstaunen schimpfte sie nicht. Sie erklärte mir, dass sie die Flecken jetzt nicht mehr rausbekam. Ich hätte also sofort Bescheid sagen müssen, dass ich gekleckert hatte. Damit war das Kleid also hinüber, dachte ich. Also ging ich an diesem Abend traurig ins Bett und meine Mutti nahm das Kleid mit. Am nächsten Morgen schenkte mir meine Mutti dann das rot-violette Kleid, das du jetzt anhast. Aber, es war gar kein neues Kleid. Sondern meine Mutti hatte das Kleid mit den Kirschflecken über Nacht mit Roter Bete gefärbt. Sie war nämlich patent, meine Mutti.“ Da hatte Polly das erste Mal als die Oma die Geschichte erzählte gefragt, was patent heißt. Die Oma versuchte zu erklären: „Patent das ist, wenn man schlau ist und wenn man gute Ideen für Probleme hat.“ Polly wollte auch patent sein. Die Oma war erstaunt: „Aber natürlich bist du patent. Weißt du denn gar nicht, warum du Polly heißt?“ Polly war sich nicht sicher: „Weil Mama den Namen mag.“ Oma antwortete: „Genau, weil die Lieblingsgeschichte deiner Mama „Polly Patent“ von Astrid Lindgren war. “An diesem Abend zog Oma aus einer Schublade, die alte Kassette und zusammen hörten Polly und Oma Memo die Geschichte von „Polly Patent“.
© Dr_JarneMarinaCarwyn 2024-07-26