Postillon d’Amour

Hannes Zeisler

by Hannes Zeisler

Story

Heute Seelenmesse für meine verstorbene Schwägerin Josefine in Rappottenstein. Am Begräbnis konnte ich wegen der Corona-Krise leider nicht teilnehmen. Ruhig verharrte ich in meiner Bank. Wie Kalenderblätter, die abgerissen werden, zogen die Erinnerungen in meinen Gedanken vorbei.

Vor meinem Bruder Karl lernte ich sie kennen. Sie war, zusammen mit der Schwester meines Freundes Bruno, in der Küche des Stiftes Zwettl beschäftigt. Oft besuchten wir zusammen die beiden in ihrer Unterkunft. Bruno und ich waren damals noch als Ministranten tätig und hielten uns daher oft in Stift Zwettl auf.

Einmal veranlassten uns die zwei Frauen, uns auf einen Schemel zu stellen, damit wir größer wirkten, und beim Fenster hinauszuschauen, weil draußen der Schofför des Abtes vorbeiging, der ihnen gefiel und sie ihn mit “Herrenbesuch” beeindrucken wollten!

Wo und wann mein Bruder die Schwägerin kennen lernte, weiß ich nicht. Jedenfalls beauftragte er mich, Briefe bei seiner Angebeteten abzugeben. Ich spielte also den Liebesboten!

Die Beziehung wurde immer tiefer, sodass sie 1950 beschlossen zu heiraten. Bemerkenswert war, dass es bei der Trauung drei schwangere Frauen gab. Das war zunächst meine Mutter. Leider starb das Kind nach einer Woche nach einer Zangengeburt. Es wäre auch eine Elisabeth gewesen!

Schwanger waren auch meine Schwägerin und deren Schwägerin. Die Trauung fand in Waldenstein, einem Wallfahrtsort, statt.

Wir Angehörigen der Zeisler-Familie fuhren mit einem Bus bis Zwettl. Dort gab es einen Zwischenstopp, weil noch jemand zu stieg.

Plötzlich meinte mein Bruder: “Ich weiß nicht, ich glaube, ich heirate doch nicht!” Darauf meine erzürnte Mutter: “Spinnst du? Das hättest du dir früher überlegen müssen!”

Die Hochzeit ging aber ohne Probleme vorüber. Ich Armer saß aber neben einer Brautjungfer, die kein Wort sprach. Es war für mich sehr langweilig!

Das Verhältnis zu meiner Schwägerin war viel Jahre hindurch ausgezeichnet. Mit ihr und meinem Bruder spielten wir manche Nächte durch. Außerdem konnte ich mir von Karl, der auch Lehrer und Direktor an einer Volksschule und an der Hauptschule in Rappottenstein war, gute Ratschläge für meine Berufsausübung holen.

Es war heute noch einmal ein schwerer Abschied, denn auch mein Bruder verstarb vor sechs Jahren!


© Hannes Zeisler 2020-07-26

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