Rattenberg, wir kommen

Christine Sollerer-Schnaiter

by Christine Sollerer-Schnaiter

Story
Rattenberg 2024

Etwa 25mal sind wir bereits nach Rattenberg zur Probe gefahren und jedes Mal, wenn wir das Stadttor passieren, ruft Jakob voller Stolz: “Rattenberg, wir kommen”. Wir sind jetzt Burgschauspieler, denn wir spielen Theater auf der Burg Rattenberg – einer Freilichtbühne mit langer Tradition und großer Bekanntheit. Wie sind wir dazu gekommen? Markus Plattner, unser Regisseur von Silberberg, inszeniert auf dem Schlossberg das Stück ‘Schlafesbruder’ von Robert Schneider nach einer Theaterfassung von Stefan Hellbert.

Da in diesem Stück Menschen mit Behinderung eine große Rolle spielen, hatte er sofort unseren Jakob vor Augen. ‘Ich habe für Dich die Rolle des Fritz Alder vorgesehen – der Bruder von Elias, um den sich die Geschichte dreht. Aber eigentlich geht es um das Leben in all seinen wunderbaren Formen und Ausprägungen. Um die Schöpfung, um die Sehnsucht und um die Liebe. Ich denke da bist du bestens aufgehoben. Mit all den Einzigartigkeiten die dich und deine Seele ausmachen und widerspiegeln.’ Mit diesen Worten hat uns Markus überzeugt, dass Jakob keinesfalls zur Schau gestellt wird, sondern eine wichtige und ernsthafte Rolle spielen wird, indem er ganz er selber sein darf, mit seiner Langsamkeit, seinen Gefühlen, seiner Musikalität. Lange zögerten wir mit der Zusage, aber Jakob selbst war Feuer und Flamme und sagte sofort “Ja”. Wir wussten, dass es eine große Herausforderung wird, viel Zeit in Anspruch nimmt und auch ein Risiko darstellt. Wir, mein Mann und ich, sind eingebunden und spielen als Bauernvolk mit.

Ja, es ist ein großes Abenteuer für alle. Die Rattenberger Laienspieler müssen sich auf einen neuen Regisseur einstellen, der weniger auf große laute Auftritte zählt, sondern mehr auf tiefgreifende Bilder, echte Gefühle und leise Töne. Dafür braucht es erstmals Mikrofone – gewöhnungsbedürftig und kostspielig. Der Bühnenbau ist einfach gehalten und doch kunstvoll gestaltet. Das Licht bringt die riesigen alten Bäume, die Felsen und die Ruinenmauern der Burg zauberhaft zur Geltung. Ein Scheinen breitet sich aus und erhellt die Dunkelheit der Nacht und des Stücks. Wie eine Klangwolke schwebt die Musik von Hubert von Goisern über dem Geschehen und erfüllt die Vorgabe des Buches: ‘in den Gesichtern der Menschen stand plötzlich Wahres zu lesen. Die Masken waren herabgeschmolzen’. Die Geschichte ist grausam, ja schrecklich und doch ist da auch Poesie, die immer wieder durchschimmert, das Leben und die Liebe wertschätzt und die Irrungen der Menschen in einer harten Lebenswelt beschreibt.

Die Schlossbergspiele Rattenberg feiern mit der Uraufführung dieses sowohl literarisch als auch dramatisch hochwertigen Stoffes, ihr 70-jähriges Bestandsjubiläum. Das besondere Ambiente auf dem Schlossberg ist ein Erlebnis für sich. Claudia und Werner leiten seit vielen Jahren mit großem Einsatz das Theater. Jedes Jahr wird eine neue Produktion aufgeführt und wir waren des Öfteren begeisterte Zuschauer. Dass wir heuer die Seite wechseln und auf der Bühne darstellen dürfen, erfüllt uns mit Ehrfurcht und Stolz.

Eine besondere Geschichte, ein charismatischer Regisseur, eine altehrwürdige Naturbühne und ein großartiges Ensemble. Heute ist Premiere mit 650 Zuschauern.

© Christine Sollerer-Schnaiter 2024-07-05

Genres
Novels & Stories
Moods
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional, Informativ, Inspirierend