1957 auf der Autobahn unterwegs. Wieder durfte ich meinen Vater auf einer seiner Dienstreisen begleiten. Er war für den Maschinenpark bei Gerrit van Delden in Gronau verantwortlich. Damals, Ende der 50er, war noch keine Rede von einer Wachstumskrise. Die deutsche Wirtschaft boomte und das spürte man auf den Autobahnen. Längst schon hatte der Güterverkehr auf der Bahn nicht mit der wirtschaftlichen Entwicklung mithalten können. Immer mehr Lastwagen machten den altersschwachen Dampfloks mächtig Konkurrenz, und auch in Gronau wurden die LKWs immer größer, spätestens seitdem LKWs nur mehr mit einem Anhänger unterwegs sein durften. Wir wohnten am Bahnhof und ich sah, wie fast täglich das im Emsland geförderte Rohöl in Tankzügen, oft mit 2 Lokomotiven und 50 Waggons, am Nachmittag ins Ruhrgebiet geschickt wurde. Jede Ausfahrt war ein epochales Ereignis, nicht nur für uns Kinder
Ich war 5 Jahre alt und durfte meinen Vater oft auf seinen Reisen begleiten, und so war ich schon vor meiner Schulzeit in Stuttgart, Kassel, Köln, Fulda und vielen weiteren Orten gewesen. Unterwegs hatten es mir speziell die Langhauber von Büssing, Henschel oder Mercedes angetan und den schnittigen Magirus Rundhauber fand ich besonders elegant. Faszinierend, wenn diese Fernlastzüge beispielsweise auf der Geislinger Steige hinauf unterwegs waren und speziell an heißen Tagen der Fahrer und Beifahrer die Türen geöffnet hielten, weil die Hitze in der Fahrerkabine unerträglich geworden war.
Ja, in jungen Jahren blieb der Güterverkehr lange ein für mich reizvolles Thema. Zunächst weil man so die Welt sehen konnte, doch auch, weil man etwas tat, was allen Menschen nützt. Man brachte die Waren des täglichen Bedarfs und andere Dinge, die nötig waren, damit es uns allen in der Welt von morgen besser ging.
Mein allererster Berufswunsch war Bremser bei der Eisenbahn, weil ich es mir schön vorstellte, in den Bremserhäuschen an den Waggons mitzufahren. Mein Onkel jedoch arbeitete bei der Bahn, und der sagte mir, dass das früher einmal so war. Doch jetzt fahre da niemand mehr mit, weil die Waggons von der Lok gebremst würden. Lange Zeit wollte ich dann LKW-Fahrer werden, bis ich an der Fridtjof Nansen Realschule einen Lehrer hatte, der mich für die Seefahrt interessierte. Er unterrichtete Darstellende Geometrie und war einst selber zur See gefahren. Als er merkte, dass er bei mir offene Ohren fand, zeigte er mir Grundzüge der Navigation und erläuterte mir die Handhabung seines alten „Nautischen Jahrbuchs“. „Geh nicht aufs Aufbaugymnasium nach Burgsteinfurt, “ riet er mir „… sondern geh direkt zur Handelsmarine und mach da dein Offizierspatent“. Naja, Gronau liegt zwar nicht am Meer, doch war die See nicht weit weg und die Vorstellung, »richtig große Pötte« fahren zu dürfen, die hatte damals für einen jungen Burschen schon etwas. In Wirklichkeit kam dann alles ganz anders, doch ein Funken Sehnsucht und Fernweh ist mir aus dieser Zeit geblieben. Bis heute.
© Klaus Schedler 2019-05-18