Nach 19 Jahren meines Lebens merke ich wie der Strick, der mich festhält und erdrückt langsam beginnt zu reißen. Stück für Stück bekomme ich wieder Luft zum Atmen. Nach dem Schneesturm, der mich gelähmt hat, wache ich langsam auf und kann die Realität erblicken. Das was wirklich um mich herum passiert und nicht das was mein Gehirn, durch die wenige Luft zum Atmen, daraus macht. Ich habe mich selbst plötzlich aus meinem Schneesturm gerissen. Ich wollte nicht, aufgrund von fehlender Luft sterben. Also ließ ich mich fallen, fallen in die Hände, der Menschen, die tatsächlich auf mein Wohl bedacht sind. Der Nebel, den mein Schneesturm verursacht hat, vergeht langsam und die Sonne fängt an zu scheinen. Ein Schritt, nach dem anderen um an diesen gelangen zu können. Aber wie können die Menschen, die dasselbe Blut in ihren Adern tragen, nicht auch die sein, die auf mein Wohl bedacht sind. Warum sind ausgerechnet diese Menschen, die Menschen, welche mich nur ansatzweise lieben können, wenn ich in irgendeiner Art und Weise Leistung erbringe und bei derer auch nur das große und ganze gesehen wird. Warum sind diese Menschen nicht die, die mir Glauben schenken und immer zu hören, wenn ich es brauche? Bin ich diejenige die etwas falsch gemacht hat? Womit habe ich sonst so etwas verdient? Ganz einfach, ich habe das nicht verdient! Nichts was mir passiert ist, ist passiert, weil ich bestraft werden musste. Niemand muss sich seinen Sonnenschein erst verdienen. Und auch wenn ich manchmal zweifel erinnere ich mich wieder daran, dass mein Leben sich auf einmal um 360 Grad gedreht hat und da ist es absolut normal, dass ich manchmal mit allem überfordert bin. Erst als ich von der Schule in die Arbeitswelt wechselte, habe ich gemerkt, welche Auswirkungen nun mal die Erziehung, welche meine Eltern für gut hielten, hatte. Tag für Tag lief ich ohne Zweifel im Schneesturm, bis zu dem Zeitpunkt als der Strick um meinem Hals immer enger und enger wurde und ich keinen Ausweg aus diesem Sturm mehr sehen konnte. Keine Aussicht auf Hilfe. Das Erwachsene nicht alle so wie meine Eltern sind, verstehe ich bis heute manchmal nicht. Aber ich weiß, es geht nicht mehr. Also was nun. Raus aus diesem Schneesturm um den Strick langsam lockern zu können. Mit 19. 19 Jahre unwissend den Anforderungen meiner Eltern befolgt, ohne zu wissen, was es überhaupt bedeutet zu Leben. Leben kann ich sicherlich nicht mit dem Strick um meinen Hals und mit dem Glauben, das die ganze Welt so ist, wie die Menschen, die mein Blut teilen. Stück für Stück durch weitere Höllenqualen gehen, um endlich loslassen zu können, um mich von diesen Menschen, mit einem Strick in der Hand loszureißen. Der erste Schritt war dort weg, der zweite langsam herauszufinden, was ich möchte und wodurch die Verletzungen meiner vorherigen Mitmenschen entstanden, sowie dass sie zwar ein Teil von mir sind, aber nicht ich. Und nun? Was passiert jetzt? Was ist der nächste Schritt und nehme ich die Vergangenheit nun einfach so hin? Mein Kampf durch den Schneesturm ist meine Lebensgeschichte. Das was ich gewöhnt bin. Was ich nicht gewohnt bin? Das ungeklärte Bauchschmerzen, das Aussehen und vor allem keine sexuellen Missbräuche irgendeinem einen Grund geben um ihm einen Strick, um den Hals zu legen. Deswegen nehme ich meinen Strick mit der Vergangenheit und reiße. Reiße meinen Strick endlich mit all meiner Kraft ab und werfe ihn zu Boden.
© Lisa Christoffels 2023-10-14